Universität Leipzig:Sächsisch für Anfänger: "Keine Comedy"

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Leipzig will Studenten aus dem Westen anlocken - mit einem Sächsisch-Kurs. Dort lernen die Studenten nicht nur Dialekt. Doch manche Professoren finden den Kurs einfach nur dämlich.

Johann Osel

Dass das "Motschegiebschen" ein Marienkäfer ist, dürfte nur Sächsisch-Muttersprachlern klar sein. Um ihren Studenten aus Westdeutschland die neue Heimat vertrauter zu machen, bietet die Uni Leipzig mittlerweile Dialekt-Kurse an. Dies ist Teil der Kampagne "Abenteuer Fernost", mit der 44 Hochschulen in Ostdeutschland - von Leipzig bis hin zu eher unbekannten Standorten wie Mittweida oder Neubrandenburg - schon seit einigen Jahren um West-Abiturienten buhlen.

Sprachlehrerin Annekatrin Michler hält in einem Hörsaal der Universität Leipzig ein Schild mit der Aufschrift "Gonso-Nanden'" hoch: Sächsisch für "Konsonanten". (Foto: dapd)

Der Kurs soll einen lockeren Einstieg ins Studium und das Leben in Leipzig bringen, heißt es. "Diskrepanzen in der innerdeutschen Kommunikation abbauen", nennt es Annekatrin Michler. Die Kommunikationstrainerin unterrichtet die Neu-Studenten und ist - das merkt man, sobald sie den Mund aufmacht - leidenschaftliche Sächsischsprecherin. Jedoch stellt sie klar: "Wir machen hier keine Comedy-Veranstaltung - sondern zeigen einfach, wie der Sachse so tickt."

Die Studenten bekommen erst einmal ein Theaterstück aufgetischt mit Gedichten von Goethe bis Heine - in sächsischer Version. Nach dieser "Hörübung" dürfen sich die Teilnehmer auch selbst am Sprechen versuchen. Ein hinterher astrein sächselnder Westfale ist aber keineswegs das Ziel: "Der Sachse mag es gar nicht so gerne, wenn er imitiert wird. Ich möchte einfach ein Bewusstsein für den Dialekt schaffen", sagt die Dozentin. Und auch für andere Eigenheiten der Sachsen: laut Michler die typische Körperhaltung ("locker, aber auch nicht träge"), die Gemütlichkeit, die Neugier.

Hintergrund der Kampagne: Während es demographisch bedingt im Osten immer weniger Studienanfänger geben wird, sind viele Unis in den alten Ländern schon jetzt überfüllt. 2008 wanderten nur vier Prozent der West-Abiturienten in den Osten, umgekehrt waren es 20. Mit zehn Millionen Euro unterstützt das Bundesbildungsministerium die Kampagne. Als Vorteile im Osten gelten die oft sehr gute Ausstattung, günstige Lebenshaltungskosten und die Gebührenfreiheit. Für die Kampagne touren etwa Info-Busse durch NRW, stark setzt man auch auf Online-Netzwerke wie SchülerVZ. Die Aktionen treiben teils kuriose Blüten, einmal wurden Studenten mit dem Trabbi in Hessen abgeholt.

Deswegen gibt es auch einige Professoren, die das Ganze für zu teuer, überspitzt oder gar dämlich halten. Trainerin Michler sieht in ihrem Kurs dagegen die Chance, die Wertschätzung untereinander zu steigern. "Und fast alle Studenten nehmen mit unglaublicher Ernsthaftigkeit teil."

© SZ vom 19.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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