Teamarbeit:Ein gutes Team? Von wegen!

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"Toll, ein anderer macht's": Warum die Arbeit in der Gruppe so oft schief geht.

Chris Löwer

Das Ergebnis nach vier Wochen: stapelweise vollgekritzelte Blätter, literweise geleerte Kaffeekannen und volle Keksbäuche. Die fünfköpfige Projektgruppe des mittelständischen Systemhauses ist zufrieden und behauptet von sich, "ein tolles Team" zu sein. Schließlich sind alle kommunikationsstark, kollegial und kooperativ. Trotzdem erscheint das neue Marketingkonzept noch nicht mal in groben Umrissen am Horizont. Ein externer Berater muss eingreifen, um die Truppe auf Linie zu bringen.

Kolllektiv vor dem Nichts: Wenn die Zusammensetzung nicht stimmt, geht im Team oft nichts voran. (Foto: Foto: photodisc)

Harmonische Plauderstunden und die heimliche Hoffnung, dass ein anderer die Sache schon irgendwie hinbiegen wird, sind die Folgen davon, dass in deutschen Unternehmen oft blind auf die magische Kraft der Gruppenarbeit vertraut wird.

"Selbst wenn alle, wie es die Stellenausschreibung verlangt hat, teamfähig sind, muss daraus noch kein gutes Team entstehen. Finden sich hervorragende Kommunikatoren zusammen, fühlen die sich zwar superwohl, nur am Ende kommt nichts dabei heraus. Denn die Mischung macht's", sagt Uwe Weinreich, Geschäftsführer der Oldenburger Unternehmensberatung Weinreich. Er stellt nüchtern fest: "Teamarbeit ist kein Allheilmittel mehr, sie ist entmystifiziert."

Gleichwohl möchte er diese Arbeitsform nicht gänzlich verdammen: "Sie ist ein Handwerkszeug, bei dem man entscheiden muss, für was es brauchbar ist. Schließlich lassen sich mit einem Hammer auch nicht alle Arbeiten erledigen."

Deshalb sollte die Aufgabe darüber entscheiden, ob Teams gebildet werden. Ist die Aufgabe komplex, erfordert Flexibilität und muss unter Druck erledigt werden, macht eine Gruppe, die verschiedene Fähigkeiten vereint, durchaus Sinn. "Klassisch dafür sind Notfall- und OP-Teams oder Projektgruppen in der technischen Entwicklung, wo Kräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen gefragt sind", sagt Weinreich. Umgekehrt gibt es eine Reihe von Tätigkeiten, die den Spezialisten - und nur ihn - erfordert.

Nicht anders sieht das Fredmund Malik vom Management Zentrum Sankt Gallen. Schließlich verlange auch niemand, im Team Auto zu fahren. Und mehr noch: "Praktisch alle großen Leistungen, vor allem das, was man Durchbrüche zu nennen pflegt, waren die Leistungen einzelner Menschen, manchmal mit Helfern, aber so gut wie nie von Teams." Malik warnt davor, die Teamarbeit zu heroisieren, man sollte aber auch nicht grundsätzlich davon abrücken. Nicht Dogmen, sondern die Aufgabe entscheide, ob eine Sache besser allein oder gemeinsam gelinge.

Doch selbst wenn die Aufgabe teamtauglich ist, läuft sie oft gründlich schief. Problem Nummer eins ist, dass manche Menschen den Begriff TEAM mit "Toll, ein anderer macht's" übersetzen. Folge: Jeder verlässt sich auf den anderen, um dann kollektiv vor dem Nichts zu stehen. Weitere Gründe für das Scheitern: Die Mitarbeiter unterschlagen gegenseitig Informationen, flüchten sich in Imponiergehabe, unterdrücken Konflikte oder bereiten sich schlecht auf Besprechungen vor.

Gern versuchen Teamleiter, menschliche Klone ihrer selbst in die Gruppe zu bugsieren. Unfruchtbare Ja-Sagerei oder Frustration bei den wenigen anders Gepolten sind damit programmiert.

"Der Grundstein für das Scheitern wird meist schon bei der Team-Zusammenstellung gelegt", sagt Maren Lehky, Chefin der Hamburger Unternehmens- und Personalberatung Lehky Consulting. Sie wird häufig zu Rate gezogen, wenn in Unternehmen die Gruppenprozesse ins Stocken geraten. Dabei stößt sie immer wieder darauf, dass Gruppen ausschließlich nach Harmonie-Gesichtspunkten gebildet werden. Das sei grundfalsch. "Je verschiedener, desto besser", rät Lehky. Das gilt für das Alter, die Rollen, die Fähigkeiten.

Und das gilt auch für jene Typen, die gemeinhin als nervtötend empfunden werden: die Erbsenzähler, die Einpeitscher und die Egomanen. Selbst notorischen Schwätzern, die mehr reden als arbeiten, kann die Beraterin etwas abgewinnen: "Die können unter Umständen Ergebnisse des Teams gut nach außen tragen. Man sollte sich eben immer fragen: Wie kann eine Eigenschaft nutzbar gemacht werden, wozu ist sie gut?"

Berater Uwe Weinreich benennt in Anlehnung an den britischen Psychologen Meredith Belbin klassische Teamrollen, die vertreten sein sollten, damit die Sache flutscht: der Erfinder, der Koordinator, der Beobachter, der Umsetzer, der Perfektionist, der Netzwerker, der Macher, der Teamarbeiter und der Spezialist. Das heißt nun nicht, dass jede Gruppe mindestens ebenso stark sein muss. "Ein und dieselbe Person kann unterschiedliche Rollen einnehmen", sagt Weinreich. Jeder Mensch trage in der Regel Anteile von zwei bis drei dieser Rollenmodelle in sich. Wichtig sei nur, dass es einen Koordinator gebe, der für Orientierung und Ansporn liefere, einen Macher, der anpacke und die Ideen des Erfinders umsetze, und einen Teamarbeiter, der für den Spaß an der Arbeit sorge und die Gruppe zusammenhalte.

Ehre für den Einzelkämpfer

"Zu Anfang sollte geklärt werden, wie wer tickt. Die Mitglieder sollten dazu gebracht werden, sich in ihrem Wesen zu outen", sagt Lehky. Idealerweise werden nach einer solchen Findungsphase Ziele festgeschrieben und verbindliche Regeln für die Zusammenarbeit formuliert. Außerdem rät Lehky, die Gruppe möglichst klein zu halten. Die kritische Grenze liegt bei zehn Mitarbeitern.

Dennoch: Selbst wenn es gelingt, in der richtigen Situation ein funktionierendes Team zu bilden, gibt es Enttäuschungen. Etwa bei dem Erfinder in der Gruppe, der sich um die Früchte seiner Arbeit betrogen fühlt. Denn seine Einzelleistung geht in der Masse unter. Viele fürchten allein schon deshalb Teamarbeit, weil sie darin einen handfesten Karriereblocker sehen. "Teamarbeit wird zwar stets gefordert, doch nur wenige finden sie hilfreich, schon gar nicht, wenn es um ihre Karriere geht", sagt Daniel Pinnow, Geschäftsführer der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft. "Es passiert, dass sich die Mitglieder kannibalisieren, um persönlich mit ihren Leistungen in Erscheinung zu treten."

Das zu verhindern ist eine Frage guter Führung - nur hapert es daran allzu oft. Selbst wenn ein erfahrener Fuchs seine Mannschaft gut unter Kontrolle hält, bleibt das Grundproblem mangelnder Profilierungsmöglichkeiten. Ein Umstand, den auch Beraterin Lehky nicht leugnen kann: "Das Team eignet sich in der Tat nicht, um sich hervorzutun und als Einzelner zu glänzen."

© SZ vom 6.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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