Auto, Kaffeefilter, Dübel und die Anti-Baby-Pille: Das sind nur vier von zahlreichen bahnbrechenden Erfindungen, die aus Deutschland kommen. Lange waren die Deutschen bekannt als Nation der Tüftler. Doch das war einmal. Gerade in der Zeit des digitalen Wandels, in der neue Lösungen gefragt sind wie nie, fehlt es hierzulande an Ideen. Trotz der wirtschaftlich guten Lage.
Die wichtigsten Tech-Unternehmen sitzen im amerikanischen Silicon Valley. In den vergangenen Jahren hat sich Israel zur Start-up-Nation entwickelt. Und im EU-Vergleich sind mittlerweile Schweden, Dänemark und Finnland an Deutschland vorbeigezogen, wenn man sich das Ranking zur Innovationskraft anschaut.
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Was also tun? Erzwingen kann man den Geistesblitz schließlich nicht. In einer Studie, die der Personaldienstleister Hays zusammen mit der Technischen Universität München, der Gesellschaft für Wissensmanagement und der Zukunftsallianz Arbeit & Gesellschaft durchgeführt hat, wurden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt, was sie sich wünschen, um kreativer arbeiten zu können.
Innovation - so die Grundannahme der Studie - basiert immer auf einer Balance aus Sicherheit und Freiheit. Wer sich um seinen Arbeitsplatz sorgt, hat keine Luft für kreative Gedanken. Wer jeden Tag die immer gleiche Checkliste fixer Arbeitsschritte abhakt, allerdings auch nicht. Was also fehlt den Deutschen in ihrem Berufsalltag?
Freie Wahl von Arbeitszeit und -ort
Die Antwort fällt deutlich aus: Zwei Drittel der 1180 Befragten wünschen sich mehr Gestaltungsspielräume und Autonomie. Besonders wichtig ist den Arbeitnehmern dabei die individuelle Freiheit: flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit auch außerhalb des Büros tätig zu sein, aber auch "im Job man selbst zu bleiben" - also Kleidungsstil, Gewohnheiten und Arbeitsstil frei ausleben zu können.
Wenig Unterschiede konnten die Forscher zwischen den Geschlechtern feststellen: Männer und Frauen verbinden innovatives Arbeiten annähernd gleich mit freiheitlichen Begriffen, so die Studie. Nur die flexiblen Arbeitsbedingungen werden von den weiblichen Befragten noch etwas bedeutsamer eingeschätzt.
Das deckt sich mit den Erfahrungen von Frank Schabel, der bei Hays für die Studie verantwortlich ist: "Wir sehen ein starkes Bedürfnis, Job und Freizeit besser in Einklang zu bringen. Nicht nur bei Eltern von kleinen Kindern, sondern auch bei Arbeitnehmern, die einen Angehörigen pflegen oder einfach mehr Luft für private Interessen haben wollen."
Auch Andranik Tumasjan, der an der TU München zu den Themen Innovation und Organisationsstruktur forscht, hält Anwesenheitskultur und 40-Stunden-Standardverträge für überholt: "Dieser 'One-size-fits-all'-Ansatz passt nicht mehr. In vielen anderen Bereichen sind die Menschen längst gewöhnt, ihre Wunschlösung selbst zu konfigurieren, wie etwa eine große Soja-Latte-macchiato mit Karamell-Geschmack." Ähnlich individuell müssten in Zukunft auch Arbeitsverträge an die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden.
Diese Bedürfnisse können sich im Laufe eines Arbeitslebens durchaus ändern. Ein überraschendes Ergebnis der Innovationsstudie betrifft den Unterschied zwischen den Altersgruppen. Anders als erwartet sind es noch stärker die älteren Arbeitnehmer, die sich Freiheit wünschen, während die jüngere Generation etwas stärker auf Sicherheit setzt.
Organisationsforscher Tumasjan erklärt das Ergebnis mit der übergroßen Wahlfreiheit, die die Generation Y in vielen Lebensbereichen bereits genießt: "Daraus erwächst dann ein größeres Bedürfnis nach Sicherheit - was sich auch im Trend zu eher traditionellen Partnerschafts- und Familienmodellen bei den unter 40-Jährigen zeigt." Die erfahreneren Arbeitnehmer hingegen wären nach zahlreichen Jahren im Berufsleben eher an einem Punkt, sich neue Möglichkeiten zu wünschen: "Da bedauern vielleicht einige verpasste Chancen."
Das alarmierendste Ergebnis der Befragung betrifft hingegen alle Altersgruppen. Das größte Innovationshindernis, das Männer wie Frauen sehen, ist: der eigene Chef. Zwei von fünf Befragten gaben an, die Führungskräfte in ihrem Unternehmen würden Veränderungen generell blockieren. Eine Einschätzung, die gerade unter den jüngeren Arbeitnehmern verbreitet ist.
"Als wir diese Zahlen gesehen haben, haben wir tatsächlich noch einmal nachgerechnet", sagt Tumasjan von der TU München: "Mit so viel Frust hatten auch wir nicht gerechnet." Personalexperte Schabel hat hingegen bereits mit einem schlechten Abschneiden der deutschen Führungsmannschaft gerechnet: "Wir kennen das aus früheren Studien: Zu viele Chefs sehen ihre Aufgabe immer noch darin, die Mitarbeiter fachlich zu kontrollieren und darauf zu achten, dass niemand zu früh nach Hause geht." Dieses Selbstverständnis hingegen sei mittlerweile völlig überholt: "In der Wissensgesellschaft wissen die Mitarbeiter meist am besten selbst, wie sie ihre Arbeit erledigen. Gute Führungskräfte vereinbaren nur noch Ziele und konzentrieren sich stärker auf Personalentwicklung statt auf Kontrolle."
85 Prozent würden schlechte Führungskräfte gern abwählen
Ein weiteres Problem sieht Schabel in der Auswahl von Führungskräften: "Weiterhin wird dabei vor allem auf die fachliche Kompetenz geschaut, dabei sind soziale Kompetenzen heute so viel wichtiger." Wer dann aber erst einmal zum Teamchef oder Abteilungsleiter befördert wurde, bleibt auf diesem Posten meist viele Jahre.
Kein Wunder also, dass 85 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich wünschen, eine schlechte Führungskraft einfach abwählen zu können. Sieben von zehn Studienteilnehmern sind überzeugt, dass die Wahl der Vorgesetzten durch die Mitarbeiter zu einer nachhaltig erfolgreichen Unternehmensentwicklung beitragen würde. Doch bis es so weit ist, da sind sich die Personalexperten einig, braucht es zunächst noch eine ganze Reihe innovativer Ideen.