Schulabschluss in Deutschland:Wie das Abitur gerechter werden soll

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Experten fordern ein bundesweites "Kernabi" und veröffentlichen an diesem Mittwoch einen entsprechenden Vorschlag: Von 2018 an sollen alle Abiturienten an einem nationalen Testtag einheitliche Aufgaben in Deutsch, Mathematik und Englisch lösen. Das Ergebnis fließt in die Abiturnote mit ein - allerdings nur in geringem Maße.

Tanjev Schultz

Deutschland im Jahr 2018: An einem Tag im April oder Mai brüten alle Abiturienten von Flensburg bis Passau über Prüfungen in Deutsch, Mathematik und Englisch. Für jedes Fach sind 90 Minuten angesetzt, das Format erinnert an die Pisa-Studien. Zum ersten Mal gibt es bundesweit einheitliche Aufgaben, sie entscheiden über zehn Prozent der Abiturnote. So jedenfalls stellt sich das der "Aktionsrat Bildung" vor. Er veröffentlicht an diesem Mittwoch eine Expertise für ein "gemeinsames Kernabitur" der Bundesländer, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Abiturprüfungen in diesem Jahr an einer Münchner Schule. Ein nationaler Testtag in den drei Fächern Deutsch, Mathe und Englisch soll das Abitur in Deutschland gerechter und transparenter machen. (Foto: dapd)

Bundesweite Tests würden die Reifeprüfung aufwerten, diese könnte zu einem echten "Ereignis" werden, schreiben die Autoren. Dem Aktionsrat gehören neun führende Bildungsexperten an, unter anderem der Pisa-Forscher Manfred Prenzel, der Münchner Ökonom Ludger Wößmann und der Hamburger Uni-Präsident Dieter Lenzen. Der Aktionsrat wurde von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ins Leben gerufen. Mit seinem Gutachten mischt er sich in die Debatte um ein "Deutschland-Abitur" ein. Einige Länder, darunter Bayern und Niedersachsen, verhandeln bereits über einen gemeinsamen Aufgaben-Pool. Wichtige Fragen sind noch ungeklärt, der Aktionsrat schlägt den Kultusministern nun einen konkreten Fahrplan vor.

Die Idee eines "Kernabiturs" rüttelt nicht am Föderalismus. Geht es nach den Experten, schließen die Länder im kommenden Jahr einen Staatsvertrag, in dem sie sich auf gemeinsame Prüfungsbestandteile verständigen. Der Bund müsste nicht unbedingt mitwirken. Zuständig für die Tests und die Korrekturen wäre das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Das in Berlin ansässige IQB gibt es bereits, die Länder haben es eingerichtet, um "Bildungsstandards" zu entwickeln. Das Institut soll dann zunächst Probeläufe starten, erst im Jahr 2018 wäre Premiere für das bundesweite "Kernabitur".

Die Experten wollen den einzelnen Bundesländern durchaus noch eigene Freiräume bei der Gestaltung ihres Abiturs lassen. Die traditionellen Klausuren und mündlichen Prüfungen in den verschiedenen Fächern gäbe es weiterhin - der nationale Testtag in den drei Fächern Deutsch, Mathe und Englisch käme lediglich als zusätzliche Prüfung hinzu. An Englisch käme dann kein Schüler mehr vorbei, selbst wenn er beispielsweise Französisch oder Latein als Abiturfach gewählt hat.

Für die Schüler würde der Plan der Experten außerdem bedeuten, dass sie beispielsweise in Deutsch zwei Prüfungen ablegen müssten: eine am nationalen Testtag und eine nach dem gewohnten Muster als Klausur, in der ein längerer Aufsatz zu schreiben wäre. Die Experten deuten an, dass sich die bundesweiten Prüfungen auf das Verstehen von Sachtexten konzentrieren müssten. Dabei würden auch Multiple-Choice-Aufgaben zum Ankreuzen eingesetzt werden. In den traditionellen Klausuren könnten dagegen wie bisher Interpretationen zu literarischen Werken verlangt werden, und dabei wäre es den Ländern überlassen, eigene Schwerpunkte zu setzen. Die unterschiedlichen Ferientermine sollen ebenfalls erhalten bleiben.

Obwohl die bundesweiten Prüfungen am Ende nur über ein Zehntel der Gesamtnote entscheiden würden, erhoffen sich die Fachleute davon mehr Transparenz und Gerechtigkeit beim Abitur. Den nationalen Testtag könne man außerdem so "inszenieren", dass er Freude an der Bildung vermittle. Tanjev Schultz

© SZ vom 19.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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