Die SPD diskutiert über ein "Grundeinkommensjahr", ein Sabbatical für alle mit 1000 Euro im Monat. Für jedes Jahr Arbeit erwerben Beschäftigte einen Monat, nach zwölf Jahren hätten sie also ein Jahr frei. Jürgen Weibler ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personalführung und Organisation an der Fernuniversität in Hagen und hat kürzlich auf der Website "Leadership Insiders" eine Studie zum Thema Sabbatical vorgelegt.
SZ: Ist ein Grundeinkommensjahr, wie es SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vorschlägt, aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Jürgen Weibler: Komplexe Materie. Staat trifft Personalpolitik. Der Vorschlag ist vermutlich als eine Antwort auf die fortschreitende Verdichtung der Arbeitswelt gedacht. Das sollte allerdings nicht davon abhalten, Belastungen durch eine kluge Verbindung mit Erholungsphasen im alltäglichen Geschäft auszubalancieren. Nicht umsonst setzen Spitzenteams im Fußball auf die Rotation, weil die Kräftezehrung und Verletzungsanfälligkeit bei immer mehr Einsätzen zu groß wären. Dazu müssen sie aber auch den Kader verbreitern - oder demnächst Roboter spielen lassen.
Laut Umfragen wünschen sich zwei Drittel der Bundesbürger ein Sabbatical, unter jungen Menschen sind es noch mehr.
Es stimmt, dass das Sabbatical immer stärker ins Bewusstsein von Unternehmen und Arbeitnehmern rückt. Das Thema Work-Life-Balance ist beim Personalmarketing und bei der Mitarbeiter-Rekrutierung wichtig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es beim Sabbatical meist um Menschen im Management oder in anderen verantwortungsvollen Positionen geht. Wir reden nicht über Leute, die einen harten Job am Band oder im Lager machen. Denn ein Sabbatical muss man sich erst mal leisten können. Bei einem Durchschnittsgehalt ist es normalerweise gar nicht möglich, mal eben drei bis sechs Monate ohne Einkünfte den gewohnten Rhythmus zu verlassen.
Trotzdem heißt es immer, dass alle von einem Sabbatical profitieren. Wer hat mehr davon: Firma oder Arbeitnehmer?
Der Arbeitnehmer profitiert mehr. Denn der Gewinn, den er einfährt, ist ziemlich sicher. Für das Unternehmen ist ungewiss, was es einfährt. Zwar wächst in der Regel die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die Bindungsneigung steigt, auch eine gewisse Dankbarkeit ist zu verspüren. Auf der anderen Seite muss das Unternehmen für einen Ausgleich sorgen. Es kann nur eine begrenzte Anzahl von Personen ein Sabbatical nehmen. Denn diese Personen müssen ja ersetzt werden. Der schlechteste Ersatz ist immer, wenn die Kollegen die Arbeit mitmachen müssen. Doch das ist häufig der Fall, und das führt zu Spannungen.
Es gibt Firmen, die ausdrücklich Sabbaticals anbieten. Ist das eine gute Idee?
Man muss genau schauen, was die Unternehmen da anbieten. Der Begriff Sabbatical wird inflationär verwendet. Wenn man mal eine Auszeit von vier Wochen nimmt, ist das noch kein Sabbatical. Im Hochschulbereich dauerte ein Sabbatical ursprünglich ja ein Semester, also sechs Monate. Geist und Körper benötigen Zeit, sich vom Gewohnten zu befreien.
Manche Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter sogar in fertig geplante Sabbaticals an. Eine Beratungsfirma entleiht sie beispielsweise an das UN-Welternährungsprogramm. Was halten Sie davon?
Es ist sicher gut, wenn man mal aus dem engen Unternehmenskontext hinaus in Bereiche geht, die einem sonst verschlossen blieben. Den Begriff Sabbatical finde ich hier aber nicht passend. Denn so eine Vereinbarung ist ja etwas Vorgefertigtes. Das Finden des eigenen Weges, die eigene Planung und Auseinandersetzung mit einer Zeit, die es auszufüllen gilt - all das fällt weg. Der Kern des Sabbaticals ist die Selbstbestimmtheit. Ich würde sogar sagen: Die Bedingung, dass ein Sabbatical zum Erfolg wird, ist Selbstbestimmtheit.
Und wann geht ein Sabbatical schief?
In unserer kleinen Studie gab es kein Beispiel für ein misslungenes Sabbatical. Allerdings gab es einen etwas anders gelagerten Fall, in dem während des Sabbaticals eine berufsbezogene Weiterbildung absolviert wurde. Ich begrüße natürlich die Weiterbildung, aber wenn man die Auszeit nutzt, um in einem vorgefertigten Takt eine vorgefertigte Aufgabe zu erledigen, vielleicht noch verbunden mit Prüfungsstress, dann fehlt natürlich die ursprüngliche Funktion eines Sabbaticals: auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, einmal nicht instrumentell zu denken, etwas Neues entstehen zu lassen, was vielleicht gar nicht beabsichtigt war. Und für die Erholung ist das offensichtlich auch nicht geeignet.