Rettungstaucher in der "Costa Concordia":Dunkel, kalt, lebensgefährlich

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Im Wasser schwimmen Möbel und Trümmerteile, die extreme Schräglage der "Costa Concordia" macht die Orientierung nahezu unmöglich: Seit Tagen suchen Rettungstaucher im Wrack nach Überlebenden. Solche Rettungsmissionen können für die Helfer lebensgefährlich sein, wie ein früherer Bergungstaucher berichtet.

Verena Wolff

Es ist kalt, es ist dunkel und es ist chaotisch. Die Rettungstaucher, die derzeit in der havarierten Costa Concordia vor der toskanischen Insel Giglio nach den Vermissten suchen, haben einen extrem belastenden Job. "Man kann sich nicht richtig darauf vorbereiten, wie es da unten ist, was einen erwartet und einem widerfährt", sagt Ernest Turnschek, der viele Jahre Bergungstaucher war und heute am Kärntner Weißensee eine Tauchschule betreibt. "Es ist vollkommen chaotisch, wenn so ein Schiff auf der Seite liegt", sagt er.

Alles liege kreuz und quer, nichts sei mehr an seinem Platz, "Betten, Tische und Stühle sind verrutscht, Lampen heruntergekommen, kleinere Sachen wie Rollatoren versperren den Weg". Gerade dieses Chaos mache den Tauchern den Einsatz schwer und gefährlich. "Man sieht nichts. Es ist vollkommen dunkel da unten - und was in den Gängen war, versperrt den Weg und kann sogar gefährlich werden, wenn sich ein Taucher darin verhängt." Einige Stellen seien gar unerreichbar, weil sie von Möbeln und Kram versperrt sind.

Einsatz unter Lebensgefahr

Eigentlich, sagt Turnschek, bräuchten die Taucher schweres Gerät, um sich zunächst den Weg zu bahnen und schneller an mögliche Stellen zu kommen, an denen noch Überlebende sein könnten. "Aber diese Scooter und Ähnliches sind oftmals viel zu groß, um durch die engen Passagen in dem Schiffswrack zu passen." Also müssen die Taucher mit ihrer Ausrüstung losschwimmen und auf alles vorbereitet sein. "Das ist ein echtes Dilemma: Entweder, man nimmt zu viel mit, ist weniger beweglich und kommt sogar an manchen Stellen nicht durch - wenn man aber etwas nicht dabei hat und braucht, kann man nicht schnell auftauchen und die fehlende Ausrüstung holen."

Auch sei die Zeit begrenzt, die ein Taucher unter Wasser verbringen könne. "Eine Stunde kann man maximal mit normaler Ausrüstung unter Wasser bleiben", so der Tauchexperte. Mit Spezialgasen verlängere sich die Zeit, für die der Taucher unter Wasser Luft hat - "aber natürlich auch nicht bis ins Unermessliche. Das ist die Physik." In ganz Österreich gibt es nur knapp zwei Dutzend Taucher, die für einen solchen Einsatz wie er jetzt in Italien stattfinden muss, ausgebildet sind.

In Italien sind nach Angaben der Medien Taucher von Marine, Küstenwache und Feuerwehr im Einsatz. In Deutschland würde im Falle eines solchen Schiffsunglücks eine Rettungskette ausgelöst, zuständig wäre in einem solchen Fall das Havariekommando in Cuxhaven. Taucher kommen dann von verschiedenen Stellen, etwa den Feuerwehren, der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG), dem Technischen Hilfswerk (THW) und anderen. Auch bei der Marine gibt es sogenannte Schwimmtaucher, die angefordert werden können. Das komme allerdings äußerst selten vor, wie ein Sprecher der Marine sagt. Dennoch: Die Taucher seien multifunktional ausgebildet und könnten auch bei der Rettung und Bergung eingesetzt werden.

"Ungeheuer belastend"

Bei Unfällen oder Unglücken an und in Binnengewässern wie Flüssen und Seen sind die Taucherstaffeln zuständig, die zu verschiedenen Feuerwehren gehören. "Das ist ein äußerst gefährlicher und beanspruchender Job", sagt Ulrich Tittelbach, Experte für Wasserrettung beim Deutschen Feuerwehrverband. Extreme Sicherungsmaßnahmen seien unerlässlich, wenn Rettungstaucher in Wracks eingesetzt werden - "sonst kann die Arbeit für die Taucher lebensgefährlich sein". Die Taucher müssen in Teams ins Wasser, sich gegenseitig sichern und immer in Kontakt sein - um nicht selbst in Gefahr zu geraten. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass ein Wrack die Taucher einschließt - wenn es sich etwa, wie im Fall der Costa Concordia, zu verschieben droht. "Das ist psychisch ungeheuer belastend", sagt Tittelbach - auch, weil bei den meisten Taucheinsätzen keine Menschen mehr gerettet, sondern Leichen geborgen werden müssen.

"Das ist eine Zeitfrage", sagen die Tauchexperten. Ein Mensch könne im Wasser bis zu 20 Minuten überleben - abhängig von der Wassertemperatur, dem Alter und der körperlichen Verfassung. "Jüngere Menschen haben eine bessere Chance, die beste haben ganz kleine Kinder", sagt Turnschek. Diese kurze Zeitspanne ziehe aber auch nach sich, dass Taucher oft zu spät kommen: "Sie müssen die Ausrüstung anlegen und prüfen - das dauert eine Weile," sagt Tittelbach.

Unter Wasser funktioniere man, sagt Turnschek. "Man ist voller Adrenalin und will einfach nur helfen - natürlich immer unter Berücksichtigung der eigenen Sicherheit." Im besten Sinne müsse man ein bisschen phlegmatisch sein, um die Situation auszublenden. Dennoch - auch erfahrene Taucher sind nicht vor dem sogenannten Stresskreislauf gefeit: Panikattacken, Klaustrophobie, Atemnot. "Dann muss man raus aus dem Wasser", sagt Turnschek. Sonst höre man auf zu atmen, "kriegt keinen Sauerstoff mehr ins Hirn - und dann wird es richtig gefährlich".

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