Profilerin für Bewerber:Theorie und Praxis der Profilerin

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La Mamma und der glaubwürdige König

Jeder Auftrag wird den verfügbaren "Indizien" entsprechend gehandhabt, aber jeder durchlaufe mindestens vier Mitarbeiter und damit vier unterschiedliche Screenings, die am Ende ein einheitliches Bild ergeben sollten. "Einmal kamen wir überhaupt nicht weiter", erzählt Grieger-Langer, "die Ergebnisse passten einfach nicht. Dann stellte sich heraus, dass der Kandidat nicht nur sein Alter, sondern auch die Unterschrift, also seine Handschrift gefälscht hatte." Billig zu haben ist das alles nicht. Ein extensiver Auftrag erreiche schnell "eine Summe im vierstelligen Bereich".

Manche Erkenntnis klingt nach Binse. "Tatkraft" drücke sich in kantigen Körperformen aus, fürsorgliche Typen ("Emotionalität") neigten zu runderen Formen ("La Mamma"). Kommunikative Typen schrieben ungern Mails, sondern schauten lieber persönlich beim Kollegen vorbei. Kommunikation ("Lass uns erst mal ein Käffchen trinken!") vertrage sich nicht mit Tatkraft ("Bis 18 Uhr will ich die Welt verändern, und das jeden Tag!''). Dafür paare sich Autorität ("der glaubwürdige König") bestens mit Urteilskraft ("der Minister mit Sachverstand").

Unvereinbare Persönlichkeiten

Manche Erkenntnis wirkt arg konstruiert: Wer Kreativität ausstrahle (bunte Kleidung, aufwendiges Make-up), zugleich aber Pflichtbewusstsein (loyales, präzises Arbeiten) in sich trage, "sollte einen möglichst luxuriös ausgestatteten Schreibtisch kriegen mit großem Computerbildschirm und Designer-Schnickschnack", meint Grieger-Langer - schon habe man eine zufriedene und ebenso fleißige Mitarbeiterin gewonnen. Überhaupt, der Arbeitsplatz: Um sich ein Gesamtbild machen zu können, besucht Grieger-Langer, wenn möglich, das potentielle Büro. "Den Pflichtbewussten können Sie im Extremfall auch in ein graues Kellerbüro setzen, dem macht das nichts aus. Der Kreative kündigt Ihnen da nach einer Woche."

Ihre Liste möglicher Konfliktkonstellationen und unvereinbarer Persönlichkeiten ist endlos. Eigentlich müsste in Deutschlands Büros nichts mehr klappen, wo sich doch Chefs und Untergebene, Sachbearbeiter und Sekretärinnen, Kollegen und Kolleginnen Grieger-Langers These zufolge so gar nicht grün sind. Vielleicht siegt am Ende doch die Vernunft über unsere Spleens. Denn was die Theorie so abwirft, kann in der Praxis ganz anders aussehen: Einem Kandidaten, der mit Erfahrung und Fachwissen überzeugt, wird ein Personalchef eine Charaktermacke verzeihen. Nicht jedes Firmenbudget sieht Designer-Schnickschnack auf dem Schreibtisch vor. X und Y müssen in einem Team zusammenarbeiten, egal ob ihre Profile passen, weil der Auftrag in einer Woche raus soll.

Nicht alle Klienten folgen ihrer Empfehlung, gibt Grieger-Langer zu. Und fügt selbstbewusst hinzu: "Und deswegen rufen die nach einem halben Jahr schon wieder an."

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