Nebenjob für die Wissenschaft:Geld im Schlaf

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Im Schlaflabor lässt sich entspannt und risikoarm Geld verdienen. (Foto: dpa)

Zwei Nächte in einem wissenschaftlichen Bett verbringen und dafür 200 Euro kassieren: Es kann ein Traumjob sein, als Testperson für die Forschung zu arbeiten. Doch es kommt auf den Bereich an. Bei Medikamentenstudien sieht die Lage anders aus.

Von Bianca Bär

Geld im Schlaf zu verdienen statt Flyer zu verteilen oder zu kellnern - das klang für Frederik Steiner (Name geändert), Student an der Universität Freiburg, nach einem lukrativen Nebenverdienst. In einem Jobportal stieß der 21-Jährige auf den Aufruf einer Forschungsgruppe der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik. Gesucht wurden gesunde Schläfer als Probanden für ein Forschungsprojekt zur Verarbeitung von Erinnerungen im Schlaf.

Der Begriff Proband hat oft einen bitteren Beigeschmack. Im Kopf taucht das Bild des menschlichen Versuchskaninchens auf, das seine Gesundheit mit Medikamententests aufs Spiel setzt, um schnell an viel Geld zu kommen. Doch es gibt auch Studien, bei denen die Probanden eine weniger hohe Risikobereitschaft an den Tag legen müssen - beispielsweise im Freiburger Schlaflabor.

"Manchmal besteht die einzige Aufgabe der gesunden Testpersonen darin, von 23 bis sieben Uhr im Labor zu schlafen", erklärt Dieter Riemann, Leiter der Abteilung Klinische Psychologie und Psychophysiologie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Freiburger Uniklinik. "Wir befassen uns unter anderem mit der Veränderung des Schlafs bei psychischen Erkrankungen. Um beurteilen zu können, ob die Veränderungen im Schlafverhalten bei Patienten mit psychischen Auffälligkeiten spezifisch für bestimmte Krankheiten sind, untersuchen wir parallel gesunde Probanden."

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Die Anforderungen an diese hängen dabei stark von den Merkmalen der Patienten ab, mit denen sie verglichen werden. Die beiden Gruppen sollten sich in Alter, Geschlecht und Lebensrhythmus ähneln. Besonders oft werden Berufstätige Mitte 40 gesucht, einer Altersgruppe, in der häufig Schlafstörungen auftreten. Für spezielle Studien sind aber auch jüngere Testpersonen oder Rentner gefragt.

Für die Studie zur Erinnerungsverarbeitung musste Proband Steiner vor dem Schlafengehen Logiktests lösen. "Danach wurde ich voll verkabelt. Nachtsüber hatte ich Elektroden am Kopf. Puls und Blutdruck wurden gemessen", erinnert er sich. Die Messgeräte dienten der Diagnose seines Schlafs. Am nächsten Morgen standen erneut Knobelaufgaben auf dem Programm. Dabei wollten die Forscher herausfinden, inwiefern Schlaf die Lösung dieser Aufgaben fördert. Als einzig negative Nebenwirkung des Experiments nennt Steiner den schlechten Schlaf in der ungewohnten Umgebung. Die 200 Euro, die er nach zwei Nächten im Labor empfing, sorgten aber für Entschädigung.

Hohes Risiko, hohes Honorar

"Im Schnitt zahlen wir für eine Untersuchungsnacht zwischen 50 und 100 Euro, das hängt von den Versuchsbedingungen ab. Im Vergleich zu Studien zu Medikamenteneffekten, die von der Pharmaindustrie bezahlt werden, ist unsere Aufwandsentschädigung bescheiden", gibt Riemann zu. "Dort sind die Honorare sehr viel höher, aber dafür haben die Probanden dabei ein höheres Risiko."

Auftragsforschungsinstitute wie Parexel und Nuvisan gehören zu den Zentren, die die Verträglichkeit von neuen Arzneimitteln testen. Dabei finden die Tests entweder ambulant oder stationär statt. An der Dauer des Aufenthalts in der Klinik und am Stand der Forschung über das neue Medikament bemisst sich die Bezahlung der Probanden.

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Der Forschungsprozess ist in vier Phasen unterteilt. Besonders hoch ist die Entlohnung bei Phase-I-Studien: Das neue Medikament hat sich in Tierversuchen bewährt und wird nun zum ersten Mal am Menschen getestet. In dieser Testphase, die First-in-man-Studie genannt wird, liegt die Aufwandsentschädigung meist im vierstelligen Bereich.

Beate Henrikus, Geschäftsführerin der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, warnt vor der Teilnahme an derartigen Arzneimitteltests. "Bei der First-in-man-Studie besteht ein riesiges Potenzial der Schädigung. Vielleicht hat man Nebenwirkungen bei der Maus übersehen, die dann beim Menschen deutlich auftreten." Sie verweist dabei auf einen Vorfall an einer Londoner Klinik aus dem Jahr 2006, bei dem gesunde Phase-I-Probanden eines Rheumamedikaments schwere Nebenwirkungen erlitten. Sie mussten unter anderem wegen multiplen Organversagens auf der Intensivstation behandelt werden.

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Die Medizinische Fakultät der LMU führe grundsätzlich keine Tests an gesunden Probanden durch, so Henrikus. Schließlich wiege im Zweifelsfalle der Individualschutz der gesunden Probanden schwerer als der Kollektivnutzen für zukünftige Patienten. "Bei Blutentnahmen oder dem Ausfüllen von Fragebögen sehen wir die Risiken für den Einzelnen dagegen eher gering. Das Individualwohl ist sehr wohl geschützt, während gleichzeitig dem Kollektivinteresse, der Pflicht zur Forschung für zukünftige Patienten, Rechnung getragen wird", erklärt Henrikus.

Gesunde Probanden können daher am Klinikum der Universität München an Blutentnahmen zur genetischen Untersuchung, psychologischen Tests oder Fragebogenaktionen zur Verhaltensforschung teilnehmen. Reich werden die Probanden dabei jedoch nicht. "Es geht um Mini-Beträge. Wer eine halbe Stunde lang einen Fragebogen ausfüllt, bekommt vielleicht 10 bis 20 Euro", sagt Henrikus.

Auf ähnlichem Niveau liegt der Lohn der Probanden am Munich Experimental Laboratory for Economic and Social Sciences (Melessa). Melessa ist eine Service-Einrichtung für 19 Lehrstühle der Ludwig-Maximilians-Universität, darunter Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Psychologie und Soziologie. "Im Melessa führen wir Verhaltensexperimente durch", erklärt Laborleiter David Schindler. "Dabei sitzen die Probanden in unseren Versuchsräumen vor dem PC und sind mit Trennwänden voneinander abgeschirmt. Dort treffen sie Entscheidungen, die unter anderem Verhalten unter Risiko oder soziale Präferenzen betreffen. Zum Beispiel: Mit wem bin ich bereit, mein Geld zu teilen?" Da die Experimente normalerweise an Werktagen zwischen neun und 18 Uhr stattfinden, sind in der Teilnehmerdatenbank größtenteils Studenten aufgeführt.

100 Euro für fünfeinhalb Stunden

"Grundsätzlich kann sich aber jeder unverbindlich anmelden, egal ob Student, Selbständiger, Beamter oder Arbeitsloser", so Schindler. Wer registriert ist, erhält in regelmäßigen Abständen per Mail Einladungen zu den Experimenten. Zwischen einer halben und zweieinhalb Stunden Zeit müssen die Probanden pro Sitzung einplanen. Die Entlohnung hängt von ihren Entscheidungen während des Experiments ab. "Jeder Teilnehmer erhält auf jeden Fall vier Euro dafür, dass er pünktlich zum Versuch erscheint", sagt der Laborleiter. LMU-Student Dimitri Ivanov (Name geändert) nimmt seit drei Jahren an Versuchen bei Melessa teil. "In anderthalb Stunden habe ich meistens zwischen 16 und 26 Euro verdient. Ich finde, das ist ein guter Stundenlohn. Und wenn man sich sowieso regelmäßig in der Nähe der Uni aufhält, kostet es ja nicht viel Mühe, zwischendurch im Labor vorbeizuschauen", sagt der 26-Jährige.

Risikoarme Probandenjobs bieten auch Forschungseinrichtungen wie das Max-Planck-Institut (MPI) an. "Wir führen zum Beispiel Aufmerksamkeitstests durch. Dabei setzen wir die Probanden unter Stress und untersuchen die Gehirnaktivität", erklärt Anna Niedl vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Bei einem Projekt zur Angstforschung unterziehen sich Testpersonen einer Magnetresonanztomografie (MRT) und einer Blutentnahme. Der zeitliche Aufwand von etwa fünfeinhalb Stunden wird mit 100 Euro entlohnt. "Wer sich im MRT-Gerät nicht wohlfühlt, hat selbstverständlich, wie bei allen unseren Studien das Recht, den Test abzubrechen", sagt Niedl. Eine Gefahr der körperlichen Schädigung bestehe allerdings nicht.

© SZ vom 17.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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