Mangel an IT-Experten:Edel-Informatiker gesucht

Lesezeit: 3 Min.

Von Arbeitnehmern wird erwartet, immer mehr in immer kürzerer Zeit zu leisten. Die Schnelligkeit der digitalen Welt überfordert viele. (Foto: Peter Macdiarmid/Getty Images)

Unternehmen brauchen Leute, die sich etwa mit IT-Sicherheit auskennen - und zwar sehr gut. Aber wo sollen die herkommen?

Von Helmut Martin-Jung, Hannover

Es sind die Glamour-Jobs der Branche: design thinker, security architect, data scientist. Sie gewinnen etwa aus großen Datenmengen neue Erkenntnisse oder entwickeln von Grund auf sichere Software. Auch wer schon länger mit Informationstechnologie zu tun hat, muss von diesen Berufsbezeichnungen nicht zwingend etwas gehört haben. Und die meisten, die nichts mit IT am Hut haben, können nur raten.

Hinter den Begriffen verbergen sich die hochbezahlten Jobs, für die ein Unternehmen Personaldienstleister, vulgo: Headhunter, engagiert. Einen wie Oliver Wippich von Hays. Die Firma mit Hauptsitz in London hat sich auf Fachkräfte spezialisiert, beschäftigt etwa 9000 Mitarbeiter weltweit, allein 1800 davon im deutschsprachigen Raum. Wippich weiß, wie sich die Digitalisierung auf Berufsbilder auswirkt und was das für Bewerber und Arbeitnehmer bedeutet.

Auch die Chefs müssen künftig mehr von digitaler Technik verstehen

Noch vor einigen Jahren beklagten Professoren an deutschen Hochschulen, dass sich zu wenig Studenten für Informatik interessieren würden. Das ist mittlerweile anders, doch Digitalisierung geht nicht bloß Informatiker an. Die Entwicklung durchdringt die Unternehmen voll und ganz, aber "Betriebswirte lernen selten programmieren, anders als umgekehrt. Informatiker hängen schon öfters mal eine betriebswirtschaftliche Ausbildung dran", sagt Wippich. Doch "wenn ich auf der Business-Seite bin, ist es schon gut, wenn ich auch ein bisschen programmieren kann".

Sogar die Chefs müssten auf Dauer wohl mehr von digitaler Technik verstehen. Da es in Zukunft immer schwieriger werde, Business von der IT zu trennen, könnte es gut sein, dass die Chefs auch die Rolle des Obersten Technikers mit übernehmen müssten, glaubt Wippich.

Mehr Aufgaben für die Chefs also, aber was ist mit den einfachen Mitarbeitern? Wie viele wird es davon überhaupt noch geben, wenn Software und Maschinen mehr und mehr von dem übernehmen können, was heute Menschen leisten? "Was wegfallen wird, sind nicht unbedingt Jobs, sondern Tätigkeiten", sagt Wippich. Die meisten Menschen erledigten nicht nur eine Sache. Sie könnten die freigewordene Kapazität dann anderweitig nutzen. "Als die Computer in die Büros kamen, sind ja die Bürokräfte auch nicht ausgestorben. Aber ihr Job hat sich verändert."

Überhaupt Veränderung: Lebenslanges Lernen - in Zeiten der Beschleunigung durch den digitalen Wandel ist es noch wichtiger als früher. "Wenn Sie heute Informatiker sind und am Ball bleiben, sind Sie auf der sicheren Seite", sagt der Personalberater, "damit kann man nichts falsch machen." Allerdings können einfache Dienstleistungen wie etwa das Erstellen von Webseiten auch in Billiglohnländer abgegeben werden - ohne Kreativität und ständige Weiterbildung kann es auch hier schwierig werden.

"Kreativität ist die Trennlinie zwischen Mensch und Maschine."

Was aber tatsächlich überflüssig werden dürfte, sind Jobs, die nur aus Routine und Verwaltung bestehen. Kassierer im Supermarkt etwa übten nur eine Aufgabe aus, "der Mensch ist da nur eine Sicherheitsbarriere", sagt Wippich. "Den Einzelnen, der nichts anderes macht als eine einzige Tätigkeit, den wird man nicht mehr brauchen." Wo es dagegen um kreative Fähigkeiten geht, werde der Mensch noch für längere Zeit unersetzbar bleiben. "Kreativität ist die Trennlinie zwischen Mensch und Maschine."

Von Horrorszenarien, in denen manche das Ende für viele einfachere Jobs schon nahe sehen, hält Wippich aber nichts. "Die fassen ja auch autonome Roboter darunter - aber das sind Entwicklungen, die noch lange dauern werden." In den nächsten fünf bis acht Jahren jedenfalls sei damit nicht zu rechnen. Und weiter vorauszublicken, ergebe wenig Sinn. In überschaubaren Zeiträumen jedoch gehe die Gefahr eher von Software aus. "In der Buchhaltung, da kann noch einiges passieren", glaubt der Personalexperte.

In der Produktion dagegen sind einfache Jobs, die wegfallen können, gar nicht mehr das Problem, sagt Wippich. "Da geht es künftig um Disposition, Anliefern bis an den Arbeitsplatz." Denn in den Fabriken werde die Produktion schon seit den Siebzigerjahren von Computern gesteuert, "neu ist die Vernetzung." Das reiche von Aufträgen bis hin zu den Rohstoffen. "Können wir einen anderen Produktionsschritt vorziehen, weil auf der A3 gerade Stau ist und wir die Teile nicht rechtzeitig bekommen?" - das seien Fragen, die künftig beantwortet werden müssten, am besten im Echtzeit.

Wirklicher Mangel herrscht bei Fachkräften für IT-Sicherheit

Dass Edel-IT-Fachkräfte so händeringend gesucht werden, liegt vor allem daran, dass sie schwer zu finden sind. So mancher erfahrene IT-Spezialist fühlt sich womöglich gar nicht angesprochen, wenn ein Unternehmen einen data scientist sucht - oft aber zu Unrecht, wie der Personalberater weiß: Wer sich etwa schon seit 20 Jahren mit dem Thema data warehouse beschäftigt, ein Begriff aus den Achtzigerjahren, ist womöglich genau derjenige, der diese Arbeit machen könnte. Schließlich geht es darum, Datenbanken aus verschiedenen Quellen zu erzeugen und sie intelligent auszuwerten. Den erfahrenen Fachkräften ist nur der neue Begriff dafür nicht präsent.

Wirklicher Mangel herrscht bei Fachkräften für IT-Sicherheit. Überraschend ist das kaum. In einer Welt, die zunehmend von umfassender Vernetzung geprägt ist, hat die Frage nach Sicherheit der Datenströme eine besondere Bedeutung. Etwa 60 Prozent der Anfragen bei Hays drehen sich um Security-Experten. Die meisten davon werden übrigens in der IT-Industrie selber gesucht, außerdem bei Banken und Versicherungen. Sie wissen, wie wichtig das Thema für sie ist: Wer würde noch einer Bank vertrauen, bei der das Geld wegen Sicherheitslöchern verschwindet?

Wegen hoher Nachfrage und guter Bezahlung wollen sich viele bewerben, die sich nicht richtig auskennen. Davon aber rät Wippich ab. Wer sich verändern will, müsse dazu lernen, bevor er die Arbeit macht. " On the job, das funktioniert heute nicht mehr."

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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