Knigge im Job:Wie man richtig gegen Regeln verstößt

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Eine Besprechung vorantreiben, in der man vor Langeweile fast einschläft? Ein Telefonat beim Essen? Ja, das geht, sagt Kommunikations-Expertin Elisabeth Bonneau. Die Etikette einfach sausen zu lassen, ist in Ordnung - wenn der Regelbrecher dabei ein paar Regeln beachtet.

Barbara Galaktionow

Ob Business-Knigge mit den 100 wichtigsten Benimmregeln, Knigge für moderne Frauen in Job und Privatleben, Business-Knigge: Etikette in 50 x 2 Minuten oder Großer Business-Knigge - wer sich auf die Suche nach hilfreichen Büchern für gutes Benehmen im Beruf begibt, ist mit einer Flut von Büchern konfrontiert. Unter dem allgemeinen Suchbegriff "Knigge" listet der Onlinehändler Amazon sogar mehr als 1900 Bücher auf.

Geschäftliche Besprechungen: Der eine mag es gründlich, dem anderen schlafen dabei die Füße ein. (Foto: iStockphoto)

Die Ausführungen des Freiherrn Adolph Knigge, Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Titel Über den Umgang mit Menschen veröffentlicht, sollten den aufstrebenden Bürgerlichen Tipps geben, wie sie mit den Adeligen verkehren können, ohne ihre bürgerliche Herkunft preiszugeben. Trotzdem steht der Begriff "Knigge" heute für ein starres Korsett gesellschaftlicher Regeln und Konventionen, gegen die zu verstoßen peinlich und unangebracht sein kann, vor allem im Berufsleben.

Aber muss man wirklich alles beachten, was Benimmexperten fordern, um im Beruf erfolgreich zu sein? Nein, sagt Kommunikationstrainerin Elisabeth Bonneau. Sie ist überzeugt, dass gutes Benehmen nicht stereotypen Vorgaben folgt, sondern auch eine Frage des persönlichen Stils ist. Ihre Botschaft: Man kann authentisch bleiben, ohne andere vor den Kopf zu stoßen.

Ein paar Regeln sollten Arbeitnehmer ihrer Ansicht nach allerdings beachten, wenn sie die Etikette sausen lassen, wie Bonneau auch in ihrem kürzlich erschienenen Knigge für Individualisten ... für alle, die sich nicht verbiegen wollen (Gräfe und Unzer, München 2011) darlegt.

[] Erkennen Sie sich selbst - und halten Sie Maß!

Die Regeln für Besprechungen sind theoretisch klar: Man erscheint pünktlich, bleibt gedanklich bei der Sache, beschränkt seine Redebeiträge auf das Notwendige und lässt andere ausreden. Doch das fällt nicht immer leicht. Ein sehr dynamischer, etwas ungeduldiger Mensch darf den Kollegen vielleicht mal ins Wort fallen, er trägt ja dafür dazu bei, das Meeting ergebnisorientiert zu führen - er läuft allerdings Gefahr, ein Thema an sich zu reißen. Ein sehr gründlicher Mitarbeiter sorgt dafür, dass keine wesentlichen Aspekte vergessen werden und darf dafür auch mal etwas länger sprechen - er muss allerdings aufpassen, die Kollegen nicht durch überlange Ausführungen in Tiefschlaf zu versetzen.

Ganz anders der lockere Kollege, der entspannt in die Sitzung geht: Er kann mit spontanen Ideen zur Lösung eines Problems beitragen und die Runde durch flotte Sprüche auflockern, eine kleine Abschweifung wird ihm keiner übelnehmen - doch wenn die Besprechungen dadurch ständig zu zeitaufwändigen Spaßveranstaltungen verkommen, kann er seinen Kollegen auch gehörig auf die Nerven gehen. Um sich nicht selbst ins Off zu manövrieren, sollte man sich also der Tücken seines eigenen Verhaltens in bestimmten Situationen bewusst sein. Man darf durchaus gegen Regeln verstoßen, sollte das allerdings nicht überstrapazieren.

[] Seien Sie sich der Etikette bewusst!

Beim Empfang von Kunden sollte man zuerst die ranghöchste Person begrüßen - und dann folgt man der Reihe, in der die Personen stehen. Ist die Rangfolge nicht erkennbar oder gibt es keine? Dann wendet man sich an den Firmenmitarbeiter, den man kennt. Entgegen mancher Erwartung: "Ladies first ist das letzte Kriterium, nicht das erste", stellt Bonneau fest. Traditionell eingestellte Menschen werden vielleicht trotzdem zuerst die Damen begrüßen, und zwar in der Reihenfolge ihres Alters, womöglich sogar mit Handkuss - es erscheint unwahrscheinlich, dass sich dadurch jemand zurückgewiesen fühlt.

Dabei sollte man die klassische Höflichkeit aber nicht überdosieren, empfiehlt die Expertin. Besonders zielstrebige Mitarbeiter verfahren beim Grüßen und Begrüßen mit Handschlag womöglich einfach nach ihren eigenen Regeln - damit das nicht auffällt, sollten sie am besten einfach so zügig vorgehen, dass niemand ihre Entscheidung hinterfragt. Und dann gleich weitergehen zur Sache. Egal, wie man vorgeht, Kommunikationscoach Bonneau rät dringend dazu, sich mit den Verhaltensregeln seines Umfeldes erst einmal vertraut zu machen. Denn nur dann könne man Reaktionen seines Gegenübers richtig einschätzen und wahre sich einen "Entscheidungsfreiraum". Man könne vergleichen, "wie gut das, was man selber möchte" zu den äußeren Erwartungen passt - und dann abwägen: "Soll man das eigene Verhalten modifizieren oder beibehalten?"

[] Kommunizieren Sie den Regelbruch!

Sicher, beim Business-Lunch spricht man nicht mit vollem Mund, spielt nicht mit Brot, telefoniert nicht am Tisch oder beginnt nicht mit Essen und Trinken, bevor auch alle anderen bedient sind. Doch manchmal ist es wie vertrackt, das Gericht der Tischpartner will einfach nicht kommen, Fisch und Kartoffeln erkalten langsam. Was nun? Man erkundigt sich, ob man schon einmal anfangen darf - niemand wird einem das verwehren.

Ein anderes Dilemma: Man weiß genau, dass es ungehörig ist, den Soßen-Rest mit Brot aufzutitschen - und kann trotzdem nicht widerstehen? Auch hier rät Kommunikationscoach Bonneau: "Reden Sie darüber!" Der Vorteil: "Die Leute sind nicht überrascht." Wenn man seinen Regelverstoß erkläre, falle er meist nicht besonders unangenehm auf. Denn dadurch gebe man Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden zu verstehen, dass der Bruch der Etikette nicht aus bloßer Gedankenlosigkeit geschehe - und somit auch nicht aus Respektlosigkeit ihnen gegenüber.

Um sich gekonnt über den sogenannten Business-Knigge hinwegzusetzen, muss man sich also zunächst einmal auf das Thema einlassen. Man sollte die Regeln kennen, die Vor- und Nachteile des eigenen Naturells einschätzen können - und bei alledem auch die Kollegen, Vorgesetzten oder Geschäftspartner nicht aus den Augen verlieren, mit denen man es zu tun hat. In diesem Sinne treffen sich die Tipps für Knigge-Abweichler dann vielleicht besser mit den Absichten des ursprünglichen Knigge als manch dogmatisches Benimmhandbuch. Denn auch der Freiherr empfahl seinen Lesern, in ihrem Handeln stets den gesellschaftlichen Zusammenhang und den Charakter des Gegenübers zu berücksichtigen - und sich dennoch nicht anzubiedern. "Handle selbständig!", lautete seine Maxime.

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