Frage an den SZ-Jobcoach:Darf ich von heute auf morgen kündigen?

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Einmal wöchentlich beantworten die SZ-Jobcoaches Fragen aus dem Berufsleben. (Foto: Jessy Asmus)

Jonathan B. arbeitet seit Jahren in einer inhabergeführten Agentur - ohne schriftlichen Vertrag. Jetzt will er die Firma wechseln und bittet den Jobcoach um Rat.

SZ-Leser Jonathan B. fragt:

Ich arbeite seit 15 Jahren als Designer in einer inhabergeführten Digitalagentur - allerdings ohne einen schriftlichen Vertrag. Ich weiß, das ist dumm, aber leider die momentane Situation. Nun möchte ich kündigen, weiß aber nicht, welche Kündigungsfrist ich ansetzen kann. Die einen sagen: "Du hast keinen Vertrag, du kannst theoretisch ab morgen nicht mehr hingehen." Die anderen: "Nach so vielen Jahren muss das mindestens ein halbes Jahr sein." Ich fände drei Monate angemessen. Was meinen Sie?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr B., manchmal werden Arbeitsverträge zwischen Chef und neuem Mitarbeiter lediglich mündlich geschlossen, per Handschlag sozusagen. Das ist nicht weiter schlimm, denn ein Arbeitsvertrag muss nicht schriftlich formuliert und unterschrieben werden, um wirksam zu sein. Auch ein mündlicher Vertrag gilt. Eine Ausnahme besteht lediglich bei befristeten Arbeitsverhältnissen: Die Befristung muss, um wirksam zu sein, immer schriftlich erfolgen.

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Von Sven Lüüs

Allerdings haben Sie bestimmt schon einmal gehört, dass irgendetwas doch schriftlich fixiert werden soll. Das Nachweisgesetz regelt in Paragraf 2 Absatz 1, dass die wesentlichen Vertragsbedingungen spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn schriftlich niedergelegt werden müssen. Dazu gehören etwa eine kurze Beschreibung der Tätigkeit, die Zusammensetzung und Höhe des Lohns, die Arbeitszeit, die Anzahl der jährlichen Urlaubstage sowie die Kündigungsfrist.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dieses Dokument zu unterschreiben und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Es stellt allerdings keinen eigenständigen Vertrag dar. Hält sich der Chef nicht daran, macht das den mündlich geschlossenen Arbeitsvertrag nicht unwirksam. Die Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz dient lediglich der Rechtssicherheit.

Auch bei einem mündlich geschlossenen Arbeitsvertrag gibt es Rechte und Pflichten. Wer sie nicht schwarz auf weiß nachlesen kann, ist allerdings oft verunsichert. Hier hilft nur, sich zu erinnern. Denn grundsätzlich sind zunächst die mündlich getroffenen Vereinbarungen maßgebend. Sollte es zu Divergenzen kommen, liegt die Beweispflicht aber beim Arbeitnehmer. Dies führt in der Praxis häufig zu Streit, denn nur selten gibt es Zeugen, die beim mündlichen Abschluss des Vertrags dabei waren - oder sich nach Jahren noch im Detail erinnern können, was genau besprochen wurde.

Verbleiben Unklarheiten, greift man daher auf die gesetzlichen Regelungen zurück. So haben Arbeitnehmer Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 freien Tagen bei einer Sechs-Tage-Woche, auf den branchen- und berufsüblichen Lohn, zumindest aber den gesetzlichen Mindestlohn sowie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, um nur einige Aspekte zu nennen.

Auch die Kündigungsfrist ist ganz klar gesetzlich geregelt, nämlich in Paragraf 622 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Kündigt demnach der Arbeitnehmer, gilt eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats. Möchte sich hingegen der Arbeitgeber trennen, hängt die Kündigungsfrist von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Ist ein Tarifvertrag anwendbar, gelten die Regelungen aus diesem.

Unter Juristen gilt ein alter Spruch: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Das zeigt sich auch hier, denn Sie alle lagen mit der gefühlten Kündigungsfrist nicht ganz richtig: Weder erlaubt das Gesetz einen Abgang von heute auf morgen, noch müssen Sie drei Monate oder ein halbes Jahr vorher kündigen. An eines sollten Sie bei Ihrer für Sie recht komfortablen vierwöchigen Kündigungsfrist allerdings noch denken: Auch wenn der Arbeitsvertrag mündlich geschlossen wurde - eine Kündigung muss immer schriftlich erfolgen.

Ina Reinsch ist Rechtsanwältin, Autorin und Referentin in München. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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