Interview:"Etwas für Gutsituierte"

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Die Kosten der Ausbildung zum Psychotherapeuten sind kaum zu stemmen, sagt der Psychologe Leon Sautier.

Interview von Anne-Ev Ustorf

Wer eine Ausbildung zum approbierten Psychotherapeuten macht, muss tief in die Tasche greifen. Der Hamburger Psychologe Leon Sautier hat sie gerade abgeschlossen - mit hohem Einsatz.

SZ: Sie haben nach Ihrem Studium eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten in der Fachrichtung Verhaltenstherapie begonnen. Wie lange haben Sie dafür gebraucht?

Leon Sautier: Insgesamt fünfeinhalb Jahre. Im März habe ich endlich die Approbation erlangt. Allerdings habe ich meine Ausbildung berufsbegleitend gemacht, also zusätzlich zu einer dreiviertel Stelle als angestellter Psychologe in einem Hamburger Krankenhaus.

Wie war die Ausbildung strukturiert?

Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten ist ja gesetzlich geregelt: Man muss 600 Stunden Theorieseminare am Ausbildungsinstitut sowie 1800 Stunden praktische Tätigkeit in einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Einrichtung absolvieren. Dazu kommen in der Fachkunde Verhaltenstherapie noch 600 Stunden eigenständig durchgeführte Psychotherapien, plus 150 Stunden Supervision durch erfahrene Psychotherapeuten. Und noch 120 Stunden Selbsterfahrung.

Wie haben Sie die Ausbildung erlebt?

Durchwachsen. Einerseits war es eine spannende und lehrreiche Zeit. Mit meinem Ausbildungsinstitut war ich zufrieden, und auch von der Supervision und natürlich der intensiven Selbsterfahrung habe ich viel mitgenommen. Frustrierend war allerdings die Zeit der praktischen Tätigkeit. Da arbeiten wir anderthalb Jahre als vollwertige Mitarbeiter in den Psychiatrien, führen viele Einzelpsychotherapien und Gruppenpsychotherapien durch, erbringen also jeden Tag für die Kliniken voll abrechenbare Kassenleistungen - und erhalten nur ein Praktikumsentgelt.

Wieviel haben Sie bekommen?

Für meine 25-Stunden-Stelle als PiA, also Psychotherapeut in Ausbildung, monatlich etwa 400 Euro. Das reichte natürlich nicht, also habe ich meine Stelle als angestellter Psychologe in dieser Zeit beibehalten, musste aber von einer dreiviertel auf eine halbe Stelle reduzieren. So kam ich auf eine offizielle Wochenarbeitszeit von 45 Stunden. Und die Wochenenden verbrachte ich dann in den Weiterbildungsseminaren.

Warum ist die praktische Tätigkeit so schlecht vergütet?

Hier kann ich nur mutmaßen. In den Städten, in denen Psychotherapeuten ausgebildet werden, sind viele Psychologen auf der Suche nach Praktikumsstellen. Die Kliniken haben also keine Not, Psychologen zu finden. Wir sind einfach günstige Arbeitskräfte. Es kommt tatsächlich vor, dass mehr PiAs auf den Stationen arbeiten als approbierte Psychotherapeuten. Mein Eindruck ist, dass vor allem in den Städten mit Ausbildungsinstituten so wenig gezahlt wird. In etwas abgelegeneren Orten gibt es durchaus eine bessere Entlohnung für PiAs, manchmal sogar die Bereitstellung einer Unterkunft.

Die Ausbildungskosten für Seminare, Supervision und Selbsterfahrung müssen privat getragen werden. Wie viel haben Sie gezahlt?

Um die 19 000 Euro. Das ist also eine unheimlich teure Ausbildung und war für mich auch nur zu finanzieren, weil ich geerbt habe. Ich kenne wirklich niemanden, der die Zeit der Ausbildung ohne die finanzielle Unterstützung seiner Familie oder seines Partners geschafft hat - oder ohne einen Kredit. Die Ausbildung zum Psychotherapeuten ist etwas für gutsituierte Bevölkerungsschichten. Das ist natürlich höchst ungerecht.

Wie geht es jetzt für Sie nach der Approbation weiter?

Ich arbeite jetzt noch eine Weile als angestellter Psychotherapeut in Hamburg und werde im nächsten Jahr einen halben Kassensitz in Berlin übernehmen können. Das ist ein riesiges Glück für mich. Viele Kollegen müssen erst jahrelang auf einer Warteliste stehen, um nach ihrer Ausbildung einen Kassensitz zu übernehmen. Und die Kassensitze müssen dann auch noch teuer bezahlt werden.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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