Großbritannien: Studentenproteste:Farb-Attacke auf Charles und Camilla

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Krawalle an der Themse: Zehntausende haben in London gegen die drastische Erhöhung der Studiengebühren protestiert. Auch Prinz Charles und seine Frau Camilla bekamen die Wut der Studenten zu spüren.

9000 Pfund (10.700 Euro) sollen britische Studenten künftig pro Jahr berappen. Die sind darüber not amused - was am Donnerstagabend auch die königliche Familie zu spüren bekam: Eine Limousine, die Prinz Charles und seine Ehefrau Camilla zu einer Abendveranstaltung in der Londoner Innenstadt bringen sollte, wurde von Farbbeuteln getroffen.

London: Proteste gegen Studiengebühren
:Der Prinz Aug in Aug mit den Demonstranten

Sie waren auf dem Weg ins Theater, als Demonstranten, die gegen die Studiengebühren auf die Straße gegangen waren, ihren Wagen attackierten. Der Schock stand Prinz Charles und seiner Frau Camilla ins Gesicht geschrieben.

Eine Scheibe des royalen Fahrzeugs wurde dabei beschädigt, wie eine Sprecherin des Paares mitteilte. Die beiden selbst seien aber unverletzt geblieben - und sogar noch pünktlich zu ihrer Theatervorführung gekommen.

Camilla: "Es gibt für alles ein erstes Mal"

Regierungschef David Cameron verurteilte den Übergriff auf den Thronfolger und dessen Frau als "schockierend und bedauerlich". Die Angreifer würden zur Verantwortung gezogen und bekämen "die volle Kraft des Gesetzes" zu spüren, sagte der britische Premier in der Nacht zum Freitag.

Charles und Camilla waren nach der Attacke "sichtlich erschüttert", berichteten britischen Medien. Dennoch erklärte die Herzogin von Cornwall, sie fühle sich gut. "Es gibt für alles ein erstes Mal", fügte sie nach Angaben der Agentur PA hinzu.

Vor dem Parlament kam es unterdessen am Abend und in der Nacht zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Kleine Gruppen von Studenten warfen Leuchtraketen, Billardkugeln und Farbbomben auf die Beamten und rissen Absperrungen nieder.

Nach Angaben der Polizei wurden 43 Demonstranten und zwölf Beamte verletzt. 22 Personen wurden festgenommen. Die Proteste richten sich gegen die vom Unterhaus am Abend beschlossene Verdreifachung der Studiengebühren.

Mit einer knappen Mehrheit von 323 Jastimmen gegen 302 Ablehnungen billigte die Koalition aus Konservativen und Liberaldemokraten die neue Regelung. Sie sieht eine Verdreifachung der Obergrenze für Gebühren vor, die Universitäten erheben dürfen, und zwar auf 9000 Pfund (10.700 Euro) pro Jahr.

Vorteile für Reiche

Bereits am Mittag waren Tausende Studenten, Schüler, Universitätsmitarbeiter, Eltern und Gewerkschaftsmitglieder in einem Protestmarsch Richtung Parlament gezogen. Nach Angaben von Demonstranten sollen es bis zu 30.000 Teilnehmer gewesen sein. Von der Polizei gab es keine offiziellen Zahlen.

Studentenproteste in London
:Scherben im Regierungsviertel

Britische Studenten protestierten gegen die geplante Erhöhung der Studiengebühren. Am Ende wurde die Parteizentrale der regierenden Konservativen gestürmt.

Kritiker der Gebührenerhöhung fürchten, dass Kinder aus weniger wohlhabendem Elternhaus künftig nicht mehr studieren können. Stattdessen hätten solche aus reichem Hause mehr Vorteile.

Studentenproteste in London
:Scherben im Regierungsviertel

Britische Studenten protestierten gegen die geplante Erhöhung der Studiengebühren. Am Ende wurde die Parteizentrale der regierenden Konservativen gestürmt.

Am Nachmittag passierte dann, was viele befürchtet hatten: Bei heftigen Ausschreitungen flogen Steine, Flaschen und Farbbeutel. Parkbänke auf dem Platz vor dem Parlament gingen in Flammen auf, auch am Abend loderten Feuer. Der Großteil der Demonstrantionen blieb allerdings friedlich.

Wie in London wurde in zahlreichen weiteren Städten in Großbritannien demonstriert. Gewalt gab es dabei auch im nordirischen Belfast. Seit Wochen gibt es dort Proteste gegen die höheren Gebühren.

Ärger in der Koalition

Doch die Gebührenerhöhung sorgt nicht nur für Ärger in der Bevölkerung, sondern auch unter den Koalitionspartnern, die seit Mai die Regierung stellen. Der kleinere Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, hatten noch im Wahlkampf betont, die Gebühren nicht erhöhen zu wollen. Bei der Wahl stimmten dann auch mehrere Liberale gegen die Regierungspläne. Zwei Abgeordnete traten sogar von ihren Berater-Aufgaben in Ministerien zurück.

Parteichef Nick Clegg versuchte, gegen die Kritik aus den eigenen Reihen anzugehen: Wer gegen Studiengebühren sei, sei ein "Träumer", sagte er. Er schäme sich nicht für seine Entscheidung, er nehme "die Welt wie sie ist".

Die höheren Gebühren sollen unter anderem die Kosten decken, die nach der Kürzung des britischen Bildungshaushaltes auf die Unis zukommen. Im Oktober hatte die Regierung angekündigt, im Rahmen ihrer Sparpläne die Ausgaben für höhere Bildung um bis zu 40 Prozent herunterzuschrauben.

Der britische Staat hat durch die Wirtschaftskrise einen riesigen Schuldenberg angehäuft und muss in den kommenden Jahren an fast allen Ecken sparen. Die Universitäten sind aber auch deshalb teilweise in finanzieller Bedrängnis, weil die Studentenzahlen in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Waren 1990 noch rund 157.000 Studenten an britischen Unis eingeschrieben, sind es in diesem Jahr 482.000.

Befürworter der Erhöhung argumentieren, dass ausreichend Hilfe für Studenten aus ärmeren Familien zur Verfügung stehe. So müssen Unis, die mehr als 6000 Pfund Gebühren erheben, zum Beispiel Stipendien und Sommerkurse anbieten. Die Verdienstgrenze, von der an Studenten anfangen müssen Bildungskredite zurückzuzahlen, soll erhöht werden. Insgesamt zahlten einige Gruppen sogar weniger Geld, hieß es aus den Reihen der Konservativen. Die neue Regelung gilt in dieser Form außerdem nur für England. In Wales will die Regierung zusätzliche Kosten der Studenten übernehmen. In Schottland ist Studieren derzeit noch gebührenfrei.

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