Ist es nun erfreulich oder beschämend, was das Statistische Bundesamt zur Entwicklung der Löhne in Deutschland veröffentlicht hat? Dass die Einkommen vieler Arbeitnehmer in den vergangenen zehn Jahren nur mäßig gestiegen, unter Berücksichtigung der Inflationsrate sogar zum Teil gesunken sind, ist ja seit langem bekannt.
Dass sie aber vermutlich überall in der EU weitaus stärker angestiegen sind als hier - das ist in der Öffentlichkeit kaum registriert worden. Etwas mehr als 20 Prozent Steigerung in Deutschland, aber 560 Prozent in Rumänien; womöglich drängt sich da die Frage auf: Was macht der Rumäne richtig und der Deutsche nicht?
Falsche Frage. Es ist mit dieser Statistik wie mit allen anderen: Sie zeigt Tendenzen auf, ist aber keine Handreichung. Sie erzählt nichts über Inflationsraten, den Lebensstandard hier und dort, über die Struktur von Volkswirtschaften oder die Branchen, die jeweils dort dominieren. Man kann sich vielleicht auf die Feststellung einigen: Gott sei Dank war es nicht andersherum. Auch ein Bsirske an seinem allerlautesten Tag würde der deutschen Wirtschaft keine Lohnzuwächse um 560 Prozent zumuten.
Die Daten illustrieren etwas anderes. Erstens war den Gewerkschaften hierzulande die Sicherung gutbezahlter Jobs wichtiger, als dass diese Jobs noch besser bezahlt werden. Zweitens aber gibt es Branchen, in denen die Jobs zwar schlecht bezahlt sind, die Gewerkschaften jedoch zu wenig Mitglieder und daher kaum Macht haben. Wer also jetzt das Statistische Bundesamt liest und seinesgleichen für unterbezahlt hält, der möge an sich selbst die Frage richten: Wäre ein Beitritt zur Gewerkschaft vielleicht mal eine Erwägung wert?