Führungsspitzen:Führungsstärke = schlechtes Benehmen

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Nicht selten behandeln Führungs-Feldherren ihre eigene Truppe wie einen Feind.Gerade die engagiertesten Mitarbeiter werden gerne mal vom Chef zur Sau gemacht.

Dagmar Deckstein

Der Chef schien mal wieder äußerst schlechte Laune zu haben. Hatte ihm die Lebensgefährtin gerade einen 13 Jahre zurückliegenden Seitensprung gestanden? Hat ihm der Chef-Chef mal wieder die Instrumente gezeigt und darauf hingewiesen, dass die Konkurrenz soeben dreieinhalb Eimer Sirup mehr an die Kundenfront geschippert hat, über die täglich 1,36 Millionen Eimer hinaus, die man im eigenen Unternehmen auszuliefern seit vielen Jahren anstandslos schafft? Aber nun genau diese dreieinhalb Eimer mehr. Unter aller Kanone, das! Da heißt es, umgehend den Schuldigen zur Sau machen.

Aggressionen im Job können die Karriere vorantreiben - wenn sie richtig eingesetzt werden. (Foto: iStock)

Eine der schärfsten Waffen der generalstabsmäßig ausgerichteten Abteilungsführung in jedem Unternehmen ist die mentale Guillotine. Der fallen für gewöhnlich ausgerechnet die Arbeitstiere der Abteilung zum Opfer, die sich tagaus, tagein den Sprichwörtlichen aufreißen. Geht ihnen an der Sirupfront ausnahmsweise einmal etwas daneben, kriegen sie vom Chef das ganze Fett ab: Minderleistung, Skandal , schlimme Schlappe fürs Regiment! Untertänige Einwände und Verteidigungsversuche werden gerne auch noch als fehlendes Unrechtsbewusstsein gebrandmarkt.

Unrechtsbewusstsein? Wo sind wir eigentlich? In Kundus, Tripolis, Bagdad, Pjöngjang? In einem Strafrechtsprozess wegen böser Vergehen gegen die Menschenrechte? Nein, in einem der vielen ganz normalen Unternehmen, in dem schlechtes Benehmen mit Führungsstärke verwechselt wird. Gerne auch mit der logikfreien Begründung, dass man ja gerade eben von Bestleistern ausschließlich Bestleistung erwarte und gerade deswegen ein sichtbares Fanal setzen müsse.

Derart marodierende Chefs machen sich dadurch umso beliebter in den Reihen der drückebergerischen Nischenexistenzen, wie sie in jeder Organisation ihr geschmeidiges Arbeitsvermeidungsleben fristen. Sie, die eines Tritts in eben jenen Sprichwörtlichen eigentlich am dringendsten bedürften, bleiben weiterhin unbelästigt. So schwer zu erklären, ist das auch gar nicht. Wer für einen militant-machohaft agierenden Chef gar nicht erst als satisfaktionsfähiger Rauf-Gegner auf dem Radarschirm erscheint, kann sich weiterhin als truppenmotivationaler Stealth-Bomber in niedrigen Leistungshöhen bewegen.

Der militärisch-führungstechnische Komplex feiert nach wie vor fröhliche Urstände in deutschen Führungsetagen, und der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass mancher da seine einstige Wehrdienstverweigerung schneidig zu kompensieren sucht. Wer es denn aber gerne kriegerisch hätte, darf sich an den erfolgreichen preußischen Kriegsherren Carl von Clausewitz halten: "Die höhere Stellung der Kritik, ihr Lob und Tadel nach völliger Einsicht der Sache, hat auch an sich nichts, was unser Gefühl verletzt, sondern bekommt es erst dann, wenn der Kritiker sich plötzlich hervordrängt und in einem Ton spricht, als wenn alle die Weisheit, die ihm durch vollkommene Einsicht der Begebenheiten gekommen ist, sein eigenes Talent wäre."

Mit anderen Worten: Nicht mal im Krieg ist es angeraten, einen Ton an den Tag zu legen, der die eigene Truppe wie den Feind behandelt. Kein Wunder, dass die Mitarbeiter-Motivationsstudie des Gallup-Instituts nun schon im zehnten Jahr zum immergleichen Ergebnis kommt, dass die Hälfte der Mitarbeiter ihren Chef entlassen würde, wenn sie denn könnte.

© SZ vom 28.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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