SZ-Leserin Barbara S. fragt:
Ich bin 47 Jahre alt, Diplomchemikerin und arbeite als Systemadministratorin in einer chemischen Prüffirma. Da es der Firma schlecht geht und Personal abgebaut werden muss, wurde mir ein Aufhebungsvertrag zum Jahresende angeboten und ein wohlwollendes Zeugnis versprochen. Kritik an meiner Arbeit gab es nicht. Unabhängig davon hatte ich selbst schon überlegt, eine andere Stelle zu suchen. Doch wie kommuniziere ich diese Situation am geschicktesten bei Bewerbungen? Ich möchte ja keine negativen Informationen über meinen Noch-Arbeitgeber preisgeben. Ist es zulässig, in Bewerbungen oder Stellengesuchen auf eine ungekündigte Position hinzuweisen?
Vincent Zeylmans antwortet:
Liebe Frau S., viele Unternehmen, die Personal abbauen, versuchen die Stellen sozialverträglich zu reduzieren. Dazu gehört auch die Einigung über einen Aufhebungsvertrag. Dieser geht normalerweise mit einer Abfindung einher, deren Höhe über dem Betrag liegt, der erwartungsgemäß vor dem Arbeitsgericht erstritten werden könnte. Meistens wird ein gutes Zeugnis zugesagt. Auch eine Freistellung ist, zumindest für einen gewissen Zeitraum, nicht unüblich.
In dieser Lage erhöht sich - verständlicherweise - der Druck für den Betroffenen. Nach außen lässt sich das aber als ganz normale Situation darstellen. Sie befinden sich schließlich noch in einem Arbeitsverhältnis, das auch im Lebenslauf dokumentiert ist. Es ist nicht notwendig, dass Sie auf das bevorstehende Ende der Zusammenarbeit hinweisen.
Der Arbeitgeber fertigt das Zeugnis meistens bereits als "Zwischenzeugnis" an. Als Begründung ist darin vermerkt, dass dieses "auf eigenen Wunsch" ausgestellt wurde. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Sie als Bewerberin aus der ungewohnten Situation heraus falsche Signale senden. Daher ist es wichtig, dass Sie einen Perspektivenwechsel vornehmen. Nicht Sie mit Ihren momentanen Bedürfnissen stehen im Vordergrund, sondern immer der potenzielle Arbeitgeber, der eine Lösung für seine Fragestellung sucht. Überlegen Sie, wie Sie sich beworben hätten, wenn Sie nicht unter Druck stünden - und gehen Sie genauso vor.
Erstens: Machen Sie sich die Mühe, zu betonen, warum Sie für dieses Unternehmen arbeiten möchten. Auch wenn Sie nun mehrere Bewerbungen auf den Weg bringen, sollte der Inhalt Ihrer Anschreiben niemals austauschbar sein. Zweitens: Es kommt immer auf Ihre Fachkompetenz an. Diese sollte in der ersten Hälfte des Anschreibens dargestellt werden - und auf keinen Fall Ihr Anliegen. Ihre Expertise sollte nicht nur durch Ihre Berufserfahrung beschrieben werden. Sie heben sich immer positiv ab, wenn Sie Ihre Leistungen, Erfolge und messbaren Ergebnisse aufführen. Ihre persönliche Kompetenz rundet das Bild ab.
Drittens: Erst am Ende des Anschreibens sollte Ihre Wechselmotivation zur Sprache kommen. Es ist nicht nötig, dabei Kritik an Ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu üben. Schreiben Sie beispielsweise, dass Sie die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht ganz einschätzen können. Verzichten Sie möglicherweise sogar auf das Zwischenzeugnis. Denn unter normalen Umständen hätten Sie es schließlich nicht verlangt. Jeder Arbeitgeber geht in einem solchen Fall davon aus, dass Sie sich lediglich anderweitig orientieren. Machen Sie unaufgefordert keine Angaben zum Gehalt oder einem möglichen Eintrittstermin. Sie können um eine vertrauliche Behandlung Ihrer Unterlagen aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses bitten. Diskretion sollte dann selbstverständlich sein.
Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de . Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.