Dresscode in Unternehmen:Eingriff in den Wäscheschrank

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Ginge übrigens voll in Ordnung, wenn sie einen Panamahut und er eine kurze Hose tragen würde. Nur Pudelmützen, bunte Krawatten, zerrissene Hosen und Motivsocken sind an der Kaffeetheke nicht erlaubt. (Foto: Starbucks)

Chefs tragen rote Turnschuhe und lassen sich "Tschejtschej" nennen, Starbucks wünscht sich gar "persönlichen Geschmack" von seinen Mitarbeitern. Wahnsinn, diese Toleranz!

Von Martin Zips

Die Ankündigung klingt generös: "Hallo, wir laden dich ein, deinen persönlichen Geschmack und eigenen Stil mit auf die Arbeit zu nehmen." Was für ein großartiges Unternehmen das sein muss, in dem Individualität über das Kollektiv gestellt wird.

Auf den folgenden 13 Seiten des neuen Dresscodes für Starbucks-Mitarbeiter in den USA und in Kanada wird die Sache präzisiert: "Wenn Sie gefärbte Haare mögen, geht das auch für uns in Ordnung." Wahnsinn, diese Toleranz. Grau, Blau, Braun - fast jede Hemdfarbe ist künftig unter der grünen Kaffeehaus-Schürze erlaubt, kombinierbar mit kurzen Khaki-Hosen, langen Jeans, grauen Röcken, Sneakers, Turnschuhen oder sogar Panamahüten. Hier darf jeder Mitarbeiter so sein, wie er möchte - davon zeugt nicht zuletzt der persönliche Vorname auf der knitterfreien Schürze.

Firmen-Dresscode bis das Blut auf die Bluse spritzt

Firmen-Dresscodes. Für viele sind sie ein Fluch. Kann man derzeit im Kinofilm "Toni Erdmann" sehen, wo sich Ines am Abend vor ihrer Präsentation den Fuß an einem Klappbett klemmt, sie sich dann aber - im Interesse des Unternehmens - trotzdem in die High Heels zwängt. Bis ihr das Blut auf die Bluse spritzt.

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Oder Dilbert, die Comicfigur. Der Software-Entwickler trägt im Büro immer eine hochragende Krawatte und Kurzarmhemd. Zumindest trug er sie bis Oktober 2014. Dann nämlich verordnete ihm sein Zeichner Scott Adams einen neuen Look, den er "Business Dorky" (Arbeit, idiotisch) nannte. Heute trägt Dilbert ein rotes Polohemd und eine Art Hundeleine mit Hausausweis um den Hals. "In dieser kollektivistischen Zeit so individualistisch wie möglich zu leben ist der einzig echte Luxus, den es noch gibt", sagte der Schauspieler Orson Welles einmal vor vielen Jahren. Er hätte auch die heutige Zeit meinen können.

Andererseits: So viel Individualität war doch noch nie. Erst kürzlich hüpfte Allianz-Chef Oliver Bäte auf der Aktionärshauptversammlung in knallroten Turnschuhen über die Bühne. Ich repräsentiere eine lässige Firma, in der Großes entstehen kann, sollte das wohl heißen. Auch Siemens-Chef Joe Kaeser - ein total lockerer Niederbayer - verkündete laut der Deutschen Presseagentur: "Bei uns kann jeder anziehen, was er will." Volkswagen-Digital-Chef Johann Jungwirth soll sogar folgendes Angebot gemacht haben: "Ich bin J. J., mich muss man nicht siezen!" Nur konsequent also, wenn Starbucks seine Mitarbeiter dazu aufruft, jetzt mal ganz eigene Akzente zu setzen.

Früher, als man sich im Büro noch mit "Herr Doktor Klöbner" angesprochen hat und ausschließlich im Sakko in die Konferenz ging, da gab es noch diese strikte Trennung zwischen Berufs- und Privatleben. Auf der einen Seite die im Rahmen des Paragrafen 106 der deutschen Gewerbeordnung vom Direktorium zu regelnde Unternehmenskultur. Auf der anderen Seite: Freizeit. Womöglich nackt. Wer das nicht vermischte, der hatte ein schönes Leben.

Eingriff in die Privatsphäre und den Wäscheschrank und so

Nun soll man plötzlich auch am Arbeitsplatz seine Tätowierungen zeigen, den Chef Tschejtschej nennen und mit blau gefärbten Haaren unter dem Panamahut den Dilberts dieser Welt eine "Blackberry Mojito Green Tea Lemonade" einschenken. Da beruhigt es einen ja fast schon wieder, dass im neuen Starbucks-Dresscode auch ganz, ganz viel verboten ist. Sandalen zum Beispiel. Flip-Flops und Pudelmützen. Cowboy-Hüte, Hoodies und Motivsocken. Falsch herum aufgesetzte Baseball-Kappen und zu locker um den Hals geschwungene Seidentücher. Ja, einmal heißt es sogar: "Wenn du mal unpassend oder inakzeptabel zur Arbeit kommst, so kann es sein, dass du deine Schicht nicht beginnen darfst." Bravo!

Dresscode
:Das dürfen Starbucks-Mitarbeiter nicht tragen

Obwohl plötzlich ganz viel Individualität erwünscht ist - Flip-Flops und Pudelmütze bleiben verboten.

Am Flughafen Köln/Bonn hat eine Sicherheitsfirma ihren Mitarbeitern mal das Tragen bunter Unterwäsche verboten. Weil allein fleischfarbene Unterhosen nicht unter dem dünnen Dienstdress hervorstechen. Die Mitarbeiter: total empört. Eingriff in die Privatsphäre und den Wäscheschrank und so. Das Landesarbeitsgericht Köln aber stellte klar: Das mit dem Unterhosenzwang geht voll in Ordnung.

Nur keine Missverständnisse. Zwar mag textile Toleranz viele vom Stundenlohn gebeutelte Arbeitnehmer glücklich machen. Allerdings bedeutet sie weder eine Verschiebung des Machtgefüges noch einen Sieg von Individualität. Sie bedeutet nur: Gut ist alles, was der Firma nützt. Und das kann morgen schon ganz was anderes sein.

© SZ vom 29.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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