Bayern: Doppelter Abiturjahrgang:Sonderregelung für G9-Abiturienten

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Falls sie durchfallen, dürfen die letzten Absolventen des neunjährigen Gymnasiums ihre Prüfungen im September wiederholen - und auch ihren Studienbeginn dürfen sie vorziehen.

T. Baier

Für die letzten Absolventen des neunjährigen Gymnasiums (G9) in Bayern wird es einige Sonderregeln geben. Durch die Neuerungen, die Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) am Mittwoch bekanntgab, soll die Chancengleichheit mit dem ersten G8-Jahrgang sichergestellt werden. Beide Jahrgänge machen im kommenden Schuljahr kurz hintereinander ihr Abitur. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erläuterten Spaenle, Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) und Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, außerdem, wie sie den insgesamt 69.000 Abiturienten die schwierige Situation erleichtern wollen.

Beinahe originalgetreu stimmte die Abschlussprüfung einer Schülerin mit der Lösungsvorlage der Lehrer überein. Deswegen steht jetzt ihr Vater, ein Schulamtsmitarbeiter, unter Verdacht. (Foto: dpa)

Für die G9er wird es demnach eine sogenannte "Günstigkeitsklausel" geben: Die Note in der Klausur, die die Schüler im ersten Halbjahr der 13. Klasse in ihren beiden Leistungskursen schreiben, zählt im Verhältnis zu den mündlichen Noten entweder doppelt oder einfach - je nachdem, wie es für den einzelnen Schüler am günstigsten ist. Anders als alle Jahrgänge vorher schreibt der letzte G9-Jahrgang im ersten Halbjahr der Abschlussklasse nämlich nur eine einzige Klausur statt zwei. Bei einer verpatzten Klausur hätten Schüler ohne die Sonderregelung keine Chance gehabt, die schlechte Note wieder auszubügeln.

Die Zahl der Klausuren wurde verringert, weil der letzte G9-Jahrgang die Abiturprüfungen zwei Monate früher ablegen muss als alle Jahrgänge vorher, nämlich von Mitte März bis Mitte April. Zum bisher üblichen Termin von Mitte Mai bis Mitte Juni machen nächstes Jahr nämlich die G8er Abitur.

Zudem wird es für Absolventen des G9, die in einzelnen Fächern nicht die erforderliche Punktzahl für die Abiturzulassung erreichen, zusätzliche Prüfungen geben, in der sie doch noch die Teilnahme an den Abschlussklausuren sichern können. Da es das G9-System im darauffolgenden Schuljahr nicht mehr geben wird, hat das Kultusministerium außerdem für alle, die das Abitur nicht bestehen, einen "Nachtermin" zwischen dem 5. September und dem 23. September 2011 festgelegt, an dem sie die Prüfung wiederholen können. Spaenle geht davon aus, dass etwa ein Prozent der Prüflinge diesen Termin wahrnehmen müssen.

Abiturienten des G9, die die Prüfungen im ersten Anlauf bestehen, bekommen ihr Zeugnis am 2. Mai ausgehändigt. "Dieser Termin wurde unter anderem deshalb festgesetzt, damit diejenigen Absolventen des G9, die im Wintersemester 2011/2012 mit dem Studium beginnen, ihren Anspruch auf Kindergeld behalten", sagte Spaenle. Um den Ansturm auf die Universitäten etwas zu entzerren, wird den G9ern aber auch ermöglicht, bereits im Sommersemester 2011 ihr Studium zu beginnen. Um sich fristgerecht einschreiben zu können, erhalten sie am 23. Dezember 2010 ein Bewerbungszeugnis.

Allerdings werde es nicht überall und nicht in jedem Fach möglich sein, mit dem Studium bereits im Sommer zu beginnen, sagte Wissenschaftsminister Heubisch. Numerus-Clausus-Fächer wie Medizin, Pharmazie oder Tiermedizin, die zentral vergeben werden, würden wie immer erst im Wintersemester starten. An welcher Universität welche Fächer wann angeboten werden, kann man im Internet unter www.studieren-in-bayern.de nachschauen.

Damit der Ansturm auf die Universitäten im Jahr des doppelten Abiturjahrgangs nicht zu groß wird, dürfen G9-Abiturienten sich bereits für das Sommersemester 2011 bewerben. (Foto: ddp)

Bis 2011 sollen nach Auskunft von Heubisch 38.000 zusätzliche Studienplätze sowie 3000 zusätzliche Personalstellen in Bayern geschaffen sein. Mehr als 1600 davon seien bereits jetzt eingerichtet. Außerdem bekommen die Hochschulen zusätzliche Lehrräume und Labore.

Besonders stark ausgebaut werden Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften. Also diejenigen Studienrichtungen, in denen Fachkräfte gesucht werden und für die die Berufsaussichten besonders gut sind. Insgesamt gebe der Freistaat allein für den personellen Ausbau bis zum Jahr 2013 eine Milliarde Euro aus. Nach Ansicht von Heubisch profitiert Bayern bei der Suche nach neuen Professoren und Lehrkräften davon, dass es das erste bevölkerungsreiche Bundesland mit einem doppelten Abiturjahrgang ist. Im Jahr darauf machen auch in Niedersachsen zwei Jahrgänge Abitur. Danach folgen Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Ein Problem für die Universitäten ist, dass alle Maßnahmen auf Prognosen beruhen und niemand wirklich weiß, wie viele Abiturienten sich tatsächlich für welchen Studiengang einschreiben werden. 20 Prozent des Geldes will Heubisch deshalb zurückbehalten, um in den Jahren 2011 und 2012 entsprechend der tatsächlichen Nachfrage investieren zu können.

Nach Ansicht der Opposition reicht das alles bei weitem nicht aus, um dem Ansturm der Studenten gerecht zu werden. "Die bisher einkalkulierten 38.000 Studienplätze bis 2011 sind zu wenig", sagt Margarete Bause, Fraktionschefin der Grünen im Landtag. Die bayerischen Hochschulen seien weder räumlich noch personell für den Ansturm gerüstet. "Selbst der Wissenschaftsminister gesteht ein, dass zusätzliche 10.000 Studienplätze gebraucht werden", sagt die hochschulpolitische Sprecherin der Bayern-SPD, Isabell Zacharias. Deren Finanzierung sei aber von Finanzminister Georg Fahrenschon abgelehnt worden.

© SZ vom 02.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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