Datenschutz:Geht keinen was an

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Früher verschwanden heikle Daten im Reißwolf, heute lagern sie bis in alle Ewigkeit auf Firmenservern. (Foto: dpa)

E-Mails, Anrufe, Zeiterfassung, Dienstfahrten - jeder Arbeitssschritt wird heute gespeichert. Welche Daten darf der Arbeitgeber sammeln?

Von Tobias Hanraths/dpa

Die Rechtslage ist eigentlich simpel: Was der Chef nicht unbedingt wissen muss, darf er auch nicht wissen. "Informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, das man an der Bürotür nicht abgibt", sagt Norbert Geyer, Fachanwalt für IT-Recht. "Der Arbeitgeber darf Daten daher nur erheben, wenn es für die Arbeit des Mitarbeiters und die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist."

Das bedeutet: Manche Informationen braucht der Arbeitgeber einfach, zum Beispiel Name, Anschrift und Geburtstag. Ansonsten kann er keine vernünftige Gehaltsabrechnung erstellen. Was darüber hinausgeht, bleibt aber Privatsache. Hier geht das Schutzrecht sogar so weit, dass Arbeitgeber bestimmte Dinge nicht einmal fragen dürfen. So ist es etwa bei der Frage nach einer Schwangerschaft.

Ein weiteres Beispiel: Bei einem Lkw-Fahrer darf der Arbeitgeber per GPS kontrollieren, ob er sich an die Pausenzeiten hält. Denn die sind gesetzlich vorgeschrieben. Er darf dabei aber nicht ohne Weiteres erfassen, wo der Fahrer mit seinem Lastwagen gerade ist, sagt Geyer. Denn das zu wissen, ist für einen Logistiker zwar praktisch, aber nicht notwendig.

Wer Surfen im Job verbietet, muss auch kontrollieren, ob die Mitarbeiter es befolgen

Natürlich sammeln viele Arbeitgeber solche Daten trotzdem. Das ist auch völlig legitim - solange es passende Betriebsvereinbarungen gibt oder der Arbeitnehmer zustimmt. Oft unterschreiben Angestellte mit dem Arbeitsvertrag entsprechende Einwilligungen. Die Dokumente müssen aber klar getrennt sein. "Der Mitarbeiter muss das Gefühl haben, dass er in seiner Entscheidung zur Einwilligung frei ist", erklärt Geyer.

Manche Daten darf der Chef auch sammeln, weil es sich indirekt aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Verbietet er zum Beispiel privates Surfen im Job, muss er im Grunde auch kontrollieren, ob sich die Mitarbeiter daran halten. "Sonst kann es sein, dass diese arbeitsvertragliche Regelung durch betriebliche Übung geändert wird", sagt Geyer. Dabei sei aber nicht jedes Überwachungsmittel rechtens: Hier müsse immer abgewogen zwischen den Rechten des Arbeitgebers und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Streit um Daten entbrennt im Job meistens, wenn es um digitale Kommunikation geht. Mit zunehmender Digitalisierung steigt auch die Zahl potenzieller Konfliktherde. "Unser hochflexibles, vernetztes Arbeiten ist einerseits ja sehr praktisch und fortschrittlich", sagt Peter Wedde, Professor für Arbeitsrecht an der Frankfurt University of Applied Sciences. "Andererseits generiere ich bei jedem Knopfdruck Informationen."

Direkt lesen darf der Arbeitgeber diese Informationen vielleicht nicht, anonym auswerten aber schon. "Es ist möglich, diese anonymisierten Daten als allgemeinen Maßstab zu verwenden und dann zum Beispiel zu analysieren, welche Teams sehr effizient arbeiten und wer wie gut vernetzt ist", sagt Wedde. Das mag noch harmlos klingen. Aber natürlich wäre so ein System auch in der Lage, zu identifizieren, welche Teams besonders gut sind - und welche entbehrlich.

Die Systeme für diese Form der Datenauswertung existieren längst, sagt Wedde, zum Beispiel in Software wie Microsoft Office. "Die Technik ist schon so weit, die Arbeitgeber wissen aber selbst oft nicht, was sie da für Daten haben. Ein Gesetz gegen diese Form der Datensammelei gebe es nicht - auch nicht mit der EU-Datenschutzverordnung und dem dazugehörigen neuen Bundesdatenschutzgesetz, das Ende Mai 2018 in Kraft tritt. Zumindest teilweise wird die Position des Arbeitnehmers damit aber gestärkt: So hat er zum Beispiel mehr Auskunftsrechte und der Arbeitgeber mehr Informationspflichten, wenn es um das Sammeln und Verarbeiten von Daten geht.

Viele andere Fragen bleiben aber auch im neuen Gesetz offen: Darf ein Arbeitgeber zum Beispiel Bewegungsprofile seiner Angestellten erstellen? Darf er biometrische Daten wie Fingerabdrücke speichern, wenn sie zur Autorisierung genutzt werden? Und was gehen ihn Inhalte sozialer Netzwerke an?

Zu unkonkret sei das, kritisiert der DGB. Andere Experten halten die vermeintliche Lücke für klug. "Der Gesetzgeber behält sich da ausdrücklich die Möglichkeit vor, später tätig zu werden", sagt Manteo Eisenlohr, Partner der Anwaltskanzlei K & L Gates. Alles im Detail regeln zu wollen, sei angesichts der technologischen Entwicklung wenig sinnvoll. "Wir haben ja keine Ahnung, was da noch kommt."

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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