Bildungsforscher:Zu wenig Transparenz

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Marcel Helbig kritisiert die unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer zur Privatschul-Finanzierung. (Foto: WZB Berlin)

Bei der Privatschul-Finanzierung liegt nach Expertenmeinung einiges im Argen. Marcel Helbig nennt die Gründe dafür.

Interview von Christine Demmer

In den meisten Bundesländern haben Privatschulen mehr Geld pro Schüler zur Verfügung als öffentliche Schulen. Das hat das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in der Studie "Voraussetzung sozialer Verantwortung - Privatschulfinanzierung in den deutschen Bundesländern" ermittelt. Einer der Autoren ist Professor Marcel Helbig, Arbeitsbereichsleiter "Strukturen und Systeme"am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg.

SZ: Das Grundgesetz schreibt vor, dass Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern eine Privatschule besuchen können müssen. Sind Privatschulen dennoch exklusive Klubs für die Kinder wohlhabender Eltern?

Marcel Helbig: So pauschal kann man das nicht sagen. Allerdings gibt es kaum ein Bundesland, das diese Vorschrift tatsächlich beherzigt. Das haben wir bereits 2016 beklagt. Verändert hat sich seitdem fast nichts.

Was sollte sich ändern?

Die Privatschulen brauchen klare Leitplanken über die sozialverträgliche Erhebung der Elternbeiträge. Das heißt zum Beispiel, dass ein Kind aus einer Hartz-IV-Familie an einer Privatschule keinen Euro Schulgeld zu zahlen hat.

Was fiel Ihnen und dem Autoren-Team bei der Untersuchung der Privatschulfinanzierung durch die Bundesländer als Erstes auf?

Die unterschiedliche Gesetzgebung in den Bundesländern macht den Vergleich schwierig. Die Länder orientieren sich bei der Privatschul-Finanzierung an den Kosten je Kind im öffentlichen Schulsystem. Diese Daten melden sie an das Statistische Bundesamt. Aber was die Bundesländer intern wirklich als Kosten veranschlagen, weicht davon in einigen Bundesländern ab. Das haben wir nach Veröffentlichung der Studie erfahren.

Was schließen Sie daraus?

Dass kaum jemand einen vernünftigen Überblick darüber hat, ob Privatschulen in Deutschland auskömmlich finanziert sind oder nicht. Unsere Studie gibt aber zumindest Hinweise darauf, dass sie besser finanziert sind, als es vielfach dargestellt wird.

Der Vergleich der Bundesländer zeigt eine erhebliche Spreizung der Finanzhilfen der Bundesländer. Worauf führen Sie das zurück?

Das hängt davon ab, welchen Stand die Privatschulen in der Vergangenheit in einem Bundesland hatten. Manche Regierungen stehen den Interessen der Privatschulen aufgeschlossener gegenüber als andere.

Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1994 sollen die Träger von Privatschulen einen Teil der Kosten tragen. Die aber sagen, dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Was gilt denn jetzt?

Gegenfrage: Wollen Privatschulen die Träger-Eigenleistung nicht übernehmen, warum sollte dann der Staat einspringen?

Wie genau prüfen die Landesrechnungshöfe die bewilligten Zuschüsse für Privatschulen?

Die Landesrechnungshöfe schauen nur bei eklatanten Verstößen hin. Das betrifft übrigens fast ausschließlich die internationalen Schulen. Diese Schulen werden in manchen Bundesländern durch spezielle Vorschriften geschützt, die dem Grundgesetz zuwiderlaufen. Dies wurde zuletzt in mehreren Fällen durch die Rechnungshöfe kritisiert. Geändert hat sich dadurch wenig.

2016 gaben öffentliche Schulen durchschnittlich circa 7700 Euro je Schüler und Jahr aus. Privatschulen meldeten mit 8200 Euro schon 2013 deutlich höhere Aufwendungen. Bekommen Privatschüler eine bessere Ausbildung?

Den Eindruck kann man gewinnen. Aber viel wichtiger als das Geld ist die im Durchschnitt deutlich bessere soziale Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler an privaten Schulen. Ohne die bildungsfernen Gruppen ist das Lernniveau natürlich höher.

© SZ vom 29.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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