Ausländische Berufsabschlüsse:Qualifiziert und unterfordert

Lesezeit: 1 min

Bettina Englmann, Mitarbeiterin eines Integrationsprojekts in Augsburg, spricht über die Frustration hochqualifizierter Zuwanderer auf dem Arbeitsmarkt.

Johann Osel

Ingenieure als Hilfsarbeiter auf dem Bau, Naturwissenschaftlerinnen an der Kneipentheke - oft können gut ausgebildete Migranten nicht in ihrem Beruf arbeiten, weil ihr Abschluss in Deutschland praktisch nichts wert ist. Das Augsburger Integrationsprojekt "Tür an Tür", das Teil eines bundesweiten Netzwerks ist, hilft Zuwanderern bei dem oft schwierigen Verfahren, ihren Abschluss anerkennen zu lassen. Beraterin Bettina Englmann berichtet aus der Praxis.

SZ: "Chirurgen, werdet Fleischer, Lehrer, werdet Reinigungskräfte!" war kürzlich bei einer Plakataktion Ihres Projektes zu lesen. Das klingt sehr zugespitzt, ist es denn auch berechtigt?

Bettina Englmann: Der Titel der Kampagne war bewusst provokant gewählt. Doch dahinter steht eine Realität, in der Zuwanderer enorme Probleme am Arbeitsmarkt haben.

SZ: Welche Probleme gib es bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse?

Englmann: Bisher gab es in Deutschland keinen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren für alle Inhaber ausländischer Qualifikationen. Die jeweiligen Möglichkeiten hingen stark vom Bundesland, vom Beruf und davon ab, ob man etwa als Spätaussiedler, als EU-Bürger oder als Drittstaatsangehöriger eingestuft wurde. Dies wird sich jetzt mit dem neuen Anerkennungsgesetz glücklicherweise ändern.

SZ: Doch vorerst arbeiten viele Zuwanderer unter ihrem Qualifikationsniveau. Das dürfte neben dem volkswirtschaftlichen Schaden vor allem eine psychische Belastung sein.

Englmann: Selbstverständlich ruft es große Frustration hervor, wenn ausländische Fachkräfte oder Akademiker nicht mehr in ihren erworbenen Berufen arbeiten können. Sie sind oft gezwungen, auf Jobs im niedrig qualifizierten Bereich auszuweichen. Wir kennen zahlreiche Einzelfälle, in denen Akademiker zum Beispiel in der Gastronomie oder als Hilfsarbeiter tätig sind.

SZ: Warum sind die Ankerennungsverfahren oft so intransparent und langsam?

Englmann: Hunderte von Anerkennungsstellen sind über Deutschland verteilt zuständig, eine Fülle uneinheitlicher Rechtsgrundlagen muss beachtet werden, hinzu kommen Informationsdefizite. Das macht es sehr kompliziert für den Einzelnen, ein Verfahren erfolgreich zu durchlaufen. Besonders bedrückend ist es, wenn hochmotivierte Einzelne immer wieder von Stellen abgewiesen werden, weil bislang kein Verfahren für ihre jeweilige Migrantengruppe vorgesehen war.

© SZ vom 10.12.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: