Ausbildung:Zwischen Wacken und Mittelaltermärkten: Alltag eines Fellhändlers

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Hamburg (dpa) - Vier Tage Marktgeschrei und Mittelalter: Um seine Rentierfelle zu verkaufen, reist Thomas Ponto zu Veranstaltungen in ganz Deutschland. Er genießt die Freiheit, die sein Beruf mit sich bringt.

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Hamburg (dpa) - Vier Tage Marktgeschrei und Mittelalter: Um seine Rentierfelle zu verkaufen, reist Thomas Ponto zu Veranstaltungen in ganz Deutschland. Er genießt die Freiheit, die sein Beruf mit sich bringt.

In dem kleinen Pagodenzelt drängen sich Frauen und Männer in mittelalterlichen Gewänden. Regen prasselt auf das Zeltdach, die Petroleumlampen baumeln an den hölzernen Zeltstangen. Auf den Holztischen stapeln sich Felle, die sich dicht und weich anfühlen. Mitten in dem Gewusel steht Thomas Ponto, ein großer Mann mit breiten Schultern und kurzen braunen Haaren. Er legt einer kleinen Frau ein Fell um die Schultern und holt, während sie sich kritisch im Spiegel betrachtet ein weiteres. „Am schönsten sind die Begegnungen mit Menschen“, sagt Thomas und grinst.

Thomas ist Fellhändler, er verkauft Rentierfelle. Er trägt eine schwarze, weite Stoffhose, Lederschuhe und ein weites Leinenhemd. Seit drei Jahren ist dies seine Arbeitskleidung. Diesmal hat er seinen Stand auf dem Mittelaltermarkt in Hamburg-Öjendorf aufgebaut. Vier Tage zwischen Marktgeschrei, Kostümen und Lagerfeuern. Statt Euro gibt es Taler, Theken heißen Schenken und statt Bier wird Met serviert.

Sein erstes Berufsleben war das krasse Gegenteil: Von montags bis freitags ging er - gekleidet im Anzug - ins Büro, neun Jahre lang. Thomas Ponto war Siebdruckmeister und arbeitete als Ausbildungsleiter. Doch als sein Arbeitgeber ein großzügiges Abfindungsangebot machte, nahm er spontan an. Und ging, ohne zu wissen, was er danach machen würde. Ein Schritt, den nicht alle in seinem Umfeld nachvollziehen konnten.

„Ich dachte, als Konsequenz müsste ich jetzt was mit Natur machen“, erinnert sich der 48-Jährige. Er ließ sich zum Natur- und Wildnispädagogen ausbilden, eröffnete eine Schule und bot Kurse für Kinder an - ein schöner, aber nicht besonders ertragreicher Job. Also suchte er sich ein zweites Standbein - und lernte den Felltierhändler kennen, der ihn heute mit der Ware beliefert.

Seit dieser Begegnung ist er eine Art fahrender Händler. Unter der Woche ist er Zuhause bei seiner Familie, am Wochenende unterwegs in ganz Deutschland, Dänemark oder Belgien. Manchmal reist er extra einen Tag früher an.

Festivals, Mittelaltermärkte oder Adventsbasar sind die klassischen Veranstaltungen, auf denen sich Felle gut verkaufen. Meist suchen die Käufer ein Fell als Bettvorleger oder für den Kamin. Auf den Mittelaltermärkten oder dem Wacken-Festival sind Felle auch als Kleidung gefragt, zum Beispiel Umhang oder Mütze. Sie wärmen und halten ganz natürlich Regen ab.

Dabei ist er nicht immer gern gesehen. Viele Menschen denken bei Fellen an Kampagnen von Tierschutzorganisationen. Bedenken, die Thomas nachvollziehen kann und teilweise teilt. Er würde nicht jedes Fell verkaufen, sagt er. „Wenn die Tiere nur für ihre Pelze getötet werden, kann ich das nicht gutheißen.“

Bei den Rentierfellen sei das anders: Die Rentiere werden für ihr Fleisch gezüchtet und kontrolliert von den Samen, die in Finnland und Nordschweden leben, geschossen. Die Samen wiederum würden vom Verkauf der Felle leben. „Das ist natürlich kein Verkaufsargument, aber ich finde das gut zu wissen“, sagt Thomas.

Während der Märkte und Festivals schläft Thomas auf Rentierfellen in seinem Stand. Er liebt die Freiheit, die ihm sein Beruf bietet. Dabei sind die Tage auf den Märkten lang und anstrengend. Acht bis neun Stunden dauert der Aufbau. Wie hier in Hamburg bleibt der Stand dann oft von morgens elf Uhr bis nachts um ein Uhr geöffnet. Manchmal auch länger. Elektronisches Licht oder Heizstrahler sind verboten.

Wieder zu Hause tauscht er Mittelalterkluft gegen Jeans und T-Shirt und hilft seiner Frau bei der Buchhaltung. Manchmal wirkt es ein bisschen, als würde er zwischen zwei Welten pendeln. Die lauten schrägen Festivals und skurrilen Mittelaltermärkte am Wochenende und der geordnete Familienalltag im Einfamilienhaus unter der Woche.

Und eine Angewohnheit ist in beiden Welten dazugekommen: Seitdem er als Fellhändler arbeitet, kann er Zuhause nicht mehr bei geschlossenem Fenster schlafen. Und noch eine Veränderung hat der Beruf des Fellhändlers mit sich gebracht, sagt Thomas. „Früher habe ich nicht den ganzen Tag gelächelt.“

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