Anonymer Lebenslauf:Raus aus der Schublade

Damit Alex nicht mehr bessere Chancen auf einen Job hat als Ali: Anonyme Bewerbungen bringen mehr Gerechtigkeit - nicht nur Ausländern.

Sibylle Haas

Wenn es denn nicht anders geht, dann eben ohne Namen, ohne Bild, ohne Alter und ohne Geschlecht. Dass der Türke Ali erst seinen Namen in Alex ändern und den Nachnamen seiner deutschen Ehefrau annehmen muss, bevor er in Deutschland eine Arbeitsstelle bekommt, ist skandalös. Die Diskriminierungsbeauftragte des Bundes fordert deshalb zu Recht, dass anonymisierte Lebensläufe zum Standard werden sollen.

Naturwissenschaftler ohne Chance

Es sind ja nicht nur Ausländer, die von vielen Personalchefs in Schubladen gesteckt werden. Ali ist promovierter Naturwissenschaftler mit Zusatzqualifikationen und Berufserfahrung. Er schrieb 230 Bewerbungen und schaffte es gerade ein einziges Mal ins Vorstellungsgespräch.

Ähnlich wie ihm geht es auch vielen Frauen, vor allem Frauen mit Kindern. Sie landen oft in der Schublade mit der Aufschrift "Unsicherheiten beim Arbeitseinsatz". Frauen könnten ja plötzlich daheim bleiben müssen, weil die Kinder krank sind. Dass Männern das gleiche Recht zusteht, wird gerne vergessen.

Alter als Makel

Ähnlich wie Ali geht es auch älteren Menschen. Für sie gibt es die Schublade "höheres Krankheitsrisiko". Dass Mitarbeiter über 50 nicht öfter wegen "Unwohlsein" ausfallen als 30-Jährige, kann bei den Krankenkassen abgefragt werden. Dass sie sich aber im Laufe ihres Berufslebens viel nutzbares Wissen erarbeitet haben, sollten Arbeitgeber wissen.

Vorurteile zu haben, ist menschlich. Gerade deshalb sind anonymisierte Beurteilungen auch bei Bewerbungen sinnvoll. Sie machen das Auswahlverfahren objektiver. Davon haben nicht nur die Bewerber etwas, sondern auch die Arbeitgeber. Sie bekommen mehr Vielfalt in ihre Belegschaften und damit auch mehr Kreativität und Talente.

© SZ vom 23.03.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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