Kommt der Zahnarzt mit dem Bohrer näher, fühlen sich die meisten Patienten unwohl. Eine echte Phobie ist dies noch nicht.
(Foto: ag.getty)Wie fühlen Sie sich, wenn Sie ins Behandlungszimmer Ihres Zahnarztes gebeten werden? Antwort 1: "Macht mir nichts aus!" Wer nicht zustimmen kann - und das dürften die meisten Menschen sein -, hat im Selbsttest auf der Homepage eines Zahnmediziners die Auswahl zwischen den weiteren Antworten "Herzrasen", "Zittern", "Schweißausbruch" und "extreme Angst". Zu einer Auswertung führt der Test nicht, wohl aber zum Kontaktformular des Arztes, dessen Spezialität die Behandlung von Ängstlichen in Vollnarkose ist.
"Schön im Schlaf", lautet ein Slogan, oder: "Während Sie träumen, arbeiten wir an Ihrem Lächeln": Etliche Zahnärzte werben für die Narkose. Wer sich auf ihren Seiten umschaut, kann leicht dem irrigen Eindruck erliegen, dass Panik vor dem Zahnarzt enorm verbreitet und nur in kompletter Bewusstlosigkeit erträglich sei. Experten beunruhigt diese Entwicklung.
Tatsächlich leiden seriösen Schätzungen zufolge etwa fünf Prozent der Menschen an einer echten Zahnbehandlungsphobie. Schaut ein Zahnarzt einem beliebigen Menschen in den Mund, wird er im Schnitt maximal einen behandlungsbedürftigen Zahn finden. Das Gebiss von Phobikern hingegen kündet mit durchschnittlich zehn kranken Zähnen von ihrer unbeherrschbaren Angst. Im Mittel vergehen zehn Jahre, ehe die schiere Not diese Menschen in den Behandlungsstuhl treibt. "Wir haben auch schon Patienten gesehen, die 30 Jahre keinen Zahnarzt aufgesucht haben", sagt die Psychologin Gudrun Sartory, die sich an der Universität Wuppertal mit dem Thema befasst.
Das schadhafte Gebiss führt zu Schmerzen, Scham und nicht selten zu sozialen und beruflichen Schwierigkeiten. "Die Angst vor dem Zahnarzt beeinträchtigt das Leben dieser Patienten", sagt Sartory. Dadurch unterscheiden sie sich von den vielen Menschen, die das Schrillen des Bohrers zwar in beträchtliche Beklemmung versetzt, die die Behandlung aber letztlich doch immer wieder durchstehen.
Die Aussicht, das gefürchtete Bohren, Schaben und Kratzen im eigenen Mund komplett ausblenden zu können, verfängt bei vielen Phobikern. "Sie verlangen die Narkose sogar", hat Sartory häufig erfahren. Stimmt ein Arzt ihrem Ansinnen zu, erhalten sie in der Regel eine tiefe Sedierung mit dem Mittel Propofol. Eine Überdosis davon hat Michael Jackson getötet, aber es ist ein reguläres Anästhetikum, das beispielsweise auch bei Darmspiegelungen angewandt wird. Für eine Vollnarkose im Zahnarztstuhl wird Propofol mit weiteren Medikamenten, vor allem Schmerzmitteln, kombiniert.