Sportwissenschaft:Ski-Bindungen von Frauen sind häufig falsch eingestellt

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Hoffentlich löst die Bindung aus, wenn es zum Sturz kommt. (Foto: imago/blickwinkel)
  • Häufig würden die Skibindungen deutlich zu fest eingestellt, kritisieren Sportwissenschaftler aus Österreich im British Journal of Sports Medicine.
  • Besonders die Bindungen von Frauen lassen bei Stürzen nicht genügend Spielraum.
  • Das könnte einer der Gründe dafür sein, dass Frauen sich doppelt so oft beim Skifahren das Knie verletzen wie Männer.

Von Werner Bartens

Alle Jahre wieder kurz vor Beginn der Skisaison werden die Bretter aus dem Keller geholt, gewachst und zum Einstellen der Bindung ins Sportgeschäft gebracht. Dort fragen ein paar durchtrainierte Bergfexe nach Körpergewicht sowie Fahrvermögen, und wenige Tage später können die Ski abgeholt werden.

Dieses vorwinterliche Ritual ist zwar weit verbreitet, doch womöglich nicht gut geeignet, um Verletzungen zu verhindern. Häufig würden die Skibindungen deutlich zu fest eingestellt, kritisieren Sportwissenschaftler aus Österreich im British Journal of Sports Medicine. Besonders die Bindungen von Frauen lassen bei Stürzen nicht genügend Spielraum.

Gerhard Ruedl und Martin Burtscher von der Universität Innsbruck fordern daher einen "Geschlechtsfaktor" für die Einstellung von Skibindungen. Sie haben in den vergangenen Jahren die Sportverletzungen von 1300 Freizeitfahrern analysiert. Dabei zeigte sich, dass ein Drittel aller Verletzungen das Knie betreffen - und sich bei vielen Unfällen die Bindung nicht öffnete. 51 Prozent der Frauen berichteten davon, dass die Bindung geschlossen blieb, bei den Männern waren es hingehen "nur" 32 Prozent. Das könnte einer der Gründe dafür sein, dass Frauen sich doppelt so oft beim Skifahren das Knie verletzen wie Männer und sogar dreimal so oft das vordere Kreuzband reißen.

Sportwissenschaftler empfehlen, einen Geschlechterfaktor bei der Justierung zu berücksichtigen

"Im Wesentlichen basiert die Bindungseinstellung nach der ISO-Norm auf Selbstangaben zum Körpergewicht, das als Indikator dafür angesehen wird, mit wie viel Kraft die Bindung ausgelöst werden kann - sowie auf dem Skikönnen", sagt Sportwissenschaftler Ruedl. "Das Geschlecht spielt bisher keine Rolle. Dabei wird mit dem Körpergewicht nicht berücksichtigt, dass Frauen generell ein geringeres Verhältnis von Gewicht zu Kraft haben als Männer, weil ihr Fettanteil prozentual höher und ihr Anteil an Muskelmasse geringer ist." Die Iso-Norm 11088, nach der die Bindungen eingestellt werden sollten, berücksichtigt diese Unterschiede jedoch nicht. Deshalb kann - normgerecht - die Bindung einer 1,67 Meter großen und 67 Kilogramm schweren Frau genauso fest eingestellt werden wie die eines 1,78 Meter großen und 78 Kilo schweren Mannes.

Zusätzlich lässt die Angabe des Fahrvermögens viel Raum für Fehleinstellungen. Zwar überschätzen Frauen ihr Können auf der Piste nicht so oft wie Männer. Wenn Männer wie Frauen vor der Einstellung angeben, bevorzugt "schnell" skizufahren, unterscheidet sich ihr Tempo jedoch um durchschnittlich bis zu zehn Kilometer pro Stunde.

Die Sportwissenschaftler empfehlen zumindest für Anfänger und leicht Fortgeschrittene, den Geschlechterfaktor bei der Bindung zu berücksichtigen. "Schon nach der aktuellen Norm könnte jeder Skifahrer eine um 15 Prozent reduzierte Bindungseinstellung verlangen", sagt Ruedl. "Allerdings ist diese Option in der Bevölkerung nahezu unbekannt."

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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