Schwangerschaft:Hoffnung für krebskranke Schwangere

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Schwanger und krebskrank: Was sich anhört wie zwei unversöhnliche Gegensätze schließt sich nach neueren Forschungen nicht aus. Viele Frauen, bei denen während der Schwangerschaft ein Tumor diagnostiziert wird, können behandelt werden und dennoch ein gesundes Kind zur Welt bringen.

Für Schwangere mit Krebserkrankungen gibt es einen Lichtblick. Aktuellen Studien zufolge können sie ihre Behandlungen gegen den Krebs fast uneingeschränkt weiterführen, Nebenwirkungen für das Ungeborene sind gering. Das Spektrum reicht von Medikamenten über Chemo- bis hin zur Strahlentherapie. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher weltweit.

Eine Serie von Veröffentlichungen in den renommierten Fachzeitschriften The Lancet und The Lancet Oncology fassen verschiedene Kernaussagen zusammen. Diese können Ärzten, aber vor allem werdenden Müttern, eine bedeutende Entscheidungshilfe geben.

Eine belgische Studie, bei der europaweit 70 Kinder beobachtet wurden, kommt zu dem Schluss, dass diese sich trotz Chemotherapie der Mutter während der Schwangerschaft vergleichsweise normal zu ihren Altersgenossen ohne die Vorbelastung entwickelt haben. Die Kinder wurden bei Geburt, nach 18 Monaten und bis zum 18. Lebensjahr in regelmäßigen Abständen untersucht. Weder Herzerkrankungen, noch Einschränkungen beim Intelligenzquotienten oder der allgemeinen Gesundheit wurden auffällig.

Allerdings empfehlen Forscher, dass Chemotherapie erst nach dem ersten Drittel der Schwangerschaft eingesetzt werden sollte. Zusätzliche Ultraschalluntersuchungen zur Entwicklung des Fötus werden angeraten. Eine Strahlentherapie dagegen sollte nach zwei Dritteln der Schwangerschaft ausgesetzt werden. Bis dahin sei der Embryo klein genug, um mit entsprechenden Decken aus Blei ausreichend geschützt werden zu können, heißt es in der Arbeit belgischer Wissenschaftler.

Unabhängig davon erhöht ein Schwangerschaftsabbruch die Chancen einer Heilung des Krebsleidens der Mutter nicht, so der Schluss der Forschungen. Auch diese Erkenntnis sollte den Ärzten Mut bei ihren Empfehlungen und Behandlungen machen.

Derzeit trifft das Schicksal nur eine unter 1000 Schwangeren. Da die Krebswahrscheinlichkeit aber mit zunehmendem Alter größer wird, und immer mehr Frauen sich immer später im Leben für Kinder entscheiden, wird diese Quote wohl steigen.

Einer älteren israelischen Studie zufolge scheint auch die Art der Krebserkrankung eine Rolle zu spielen. Demnach sollte bei Blutkrebs die frühe Schwangerschaft zugunsten der Chemotherapie abgebrochen werden. Französische und amerikanische Wissenschaftler raten den Ärzten vor Behandlungen bei Gebärmutterhals- oder Eierstockkrebs ab. Frederic Amant vom Leuven Cancer Institute, einer der Autoren der beschriebenen belgischen Studie, hält dagegen: "Viele Ärzte scheuen sich offenbar, krebskranke Schwangere zu behandeln, und raten zu einer Abtreibung. Aber die Behandlung unterscheidet sich kaum von der einer nicht schwangeren Person."

Amant zieht aus seiner Studie lediglich den Schluss, dass es einen Zusammenhang zwischen Frühgeburt und Einschränkung kognitiver Leistungen in der Entwicklung der Kinder geben kann. Bestätigung dafür bekommt der Wissenschaftler von Catherine Nelson-Piercy vom britischen Royal College of Obstetricians and Gyneaecologists (Königliche Akademie der Geburtshelfer und Gynäkologen): "Ärzte irren oft damit, Ungeborene frühzeitig zur Welt zur Welt bringen zu wollen, um sie vor den Auswirkungen der Chemotherapie zu schützen. Unsere Daten sagen nicht, dass Chemotherapie vollständig ungefährlich für die Babys ist. Umgekehrt sollte jedoch versucht werden, den Embryo so lange als möglich im Mutterleib zu lassen."

Auch Richard Theriault teilt diese Meinung. Er ist Medizinprofessor am MD Anderson Cancer Center in Texas, leitet ein Programm zur Behandlung schwangerer krebskranker Frauen und sagt: "Die frühzeitige Entbindung oder gar ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht immer nötig." Theriault hofft, dass Ärzte ihre dahin gehenden Empfehlungen aufgrund der aktuellen Erkenntnisse künftig noch einmal besser überdenken.

Für den Mediziner ergibt sich das Bild, dass die Plazenta offenbar wie ein Filter wirkt und die Auswirkungen der Chemotherapie auf den Fötus einschränkt. "Wir haben das Phänomen einer durch Chemotherapie völlig haarlosen Mutter, die ein Kind mit voller Haarpracht zur Welt bringt", führt Theriault als Beispiel an

Diese Erfahrung machte auch eine Mutter aus England. Caroline Swain wurde während der Schwangerschaft mit ihrem zweiten Sohn die Diagnose Brustkrebs gestellt. Der heute 45-jährigen wurden die linke Brust und mehrere Lymphknoten entfernt. In der zwölften Schwangerschaftswoche startete sie mit der Chemotherapie. "Ich war so dankbar, dass mir die Möglichkeit geboten wurde, meinen Krebs zu behandeln und gleichzeitig mein Kind auszutragen. Ich hatte schreckliche Angst davor, dass mein Sohn nichts von mir in Erinnerung behalten würde, wenn nach der Geburt der Krebs gesiegt hätte."

Luke ist heute neun Jahre alt, wog bei der Geburt 3,35 Kilogramm und damit nur minimal weniger als sein älterer Bruder Max ein Jahr zuvor und hat sich bisher völlig normal entwickelt. "Es gab nur Freudenfeste um uns herum, als Luke völlig ohne Schwierigkeiten und gesund zur Welt kam", erinnert sich Caroline Swain. Und ihr Mann Rowland ergänzt: "Luke unterscheidet sich überhaupt nicht von seinem Bruder. Beide lieben Lego-Steine und die X-Box."

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