Es ist eine Tatsache, dass hierzulande viele Menschenleben gerettet werden könnten, wenn es nur gelänge, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Dies ist das ausdrücklich erklärte Ziel der kürzlich beschlossenen Neuregelung des Transplantationsgesetzes, dessen Umsetzung weiterhin kontrovers diskutiert wird. Denn die Organspende bleibt ein sensibles, ein emotional aufgeladenes Thema. Das erschwert den Blick auf die Details des Gesetzes - dabei wäre gerade dieser immens wichtig.
Wer einen sogenannten Organspendeausweis ausfüllt, der trifft streng genommen nicht eine, sondern zwei Entscheidungen. Mit der Organspende einher geht auch die Einwilligung in eine Gewebespende - die Spende also von Haut, Knochen, Herzklappen oder der Augenhornhaut. Obwohl auf den Spenderausweisen Organe und Gewebe nebeneinander aufgeführt sind, ist meist nicht bekannt, dass zwischen einer Organ- und einer Gewebespende große Unterschiede bestehen. Das ist bedrückend. Umso mehr, da es so scheint, als trügen die Politik und die damit befassten Organisationen selber zur allgemeinen Desinformation bei.
Es ist nahezu unbekannt, dass gespendetes Gewebe in gemeinnützigen Institutionen wie dem Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG) gereinigt, aufbereitet und weiterverarbeitet wird. Knochen beispielsweise werden zu Knochenmehl gemahlen oder in gebrauchsfertige Formate gestückelt. Das Endprodukt gilt de jure als Arzneimittel und wird den Ärzten auf den üblichen Vertriebswegen zur Verfügung gestellt.
Der aktuelle DIZG-Katalog hat ein entsprechendes Angebot: hochwertige Knochenchips, "gemahlen mit der Spierings Bone Mill". Komplette Achillessehnen und Patellasehnen mit vorgeformten Knochenansätzen. Menschliche Haut, zellfrei und gefriergetrocknet, in Größeneinheiten von einem Quadratzentimeter bis hin zu Gewebeflächen von 16 mal 24 Zentimetern. Weichgewebe, knorpelfreie Oberschenkelknochenköpfe, Teile des Schienbeins in Span- und Keilform.
Kein Zweifel: Bei all dem handelt es sich um medizinisch nutzbringende Mittel, die dazu beitragen können, das Leiden Kranker zu mildern - wenn auch nicht so unmittelbar wie die Organspende. So gäbe es denn an der Praxis der Gewebespende nichts auszusetzen, wenn man denn davon ausgehen könnte, dass diejenigen, die ihre Zustimmung zur Organ- wie auch Gewebespende kundtun, wissen, welchen Verfahren und Praktiken sie eigentlich zustimmen. Es spricht nicht viel dafür, dass dieses Wissen existiert.