Online-Umfrage zu Antidepressiva:"Ich wurde zu einer Art Zombie"

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Teilnehmer einer Online-Umfrage berichten von ihren Erfahrungen mit Antidepressiva.

(Foto: Ben Goode; BenGoode/iStockphoto)

Einige bezeichnen sie als Lebensretter, andere konnten keinen Effekt feststellen, wieder andere litten unter heftigen Nebenwirkungen: Mehr als 4000 europäische Patienten haben in einer Online-Umfrage ihre Erfahrungen mit Antidepressiva geschildert. Ihre Berichte sind so aufschlussreich wie bewegend.

Von Carmen Fishwick, The Guardian

Als wir beim Guardian unsere und die Leser von fünf europäischen Tageszeitungen - Süddeutsche Zeitung (Deutschland), El Pais (Spanien), Le Monde (Frankreich), Gazeta Wyborcza (Polen) und La Stampa (Italien) - dazu aufriefen, in einer Online-Umfrage von ihrem Umgang mit Medikamenten gegen Depressionen zu berichten, waren wir nicht sicher, wie die Reaktionen ausfallen würden. Mehr als 4000 Antworten später erwiesen sich die Beiträge als ebenso aufschlussreich wie bewegend.

Auch wenn es schwierig ist, statistisch belastbare Schlüsse aus den Aussagen einer nicht repräsentativen Teilnehmergruppe zu ziehen, so lässt sich doch feststellen: Viele Umfrageteilnehmer hatten den Eindruck, dass ihnen die Antidepressiva geholfen hätten, vor allem, wenn die Einnahme mit einer Gesprächstherapie kombiniert worden war. Eine kleinere, aber nicht unerhebliche Gruppe von Teilnehmern konnte keine Wirkung erkennen, wieder andere berichteten von sehr negativen Erfahrungen durch Nebenwirkungen der Medikamente.

Ein Ergebnis aber kann als gesichert gelten: Es besteht unter den Teilnehmern ein sehr großes Bedürfnis, ihre Erfahrungen mitzuteilen - allerdings unter der Bedingung, dass ihre Identität nicht preisgegeben wird.

Megan bekam den Wirkstoff Fluoxetin von ihrem Hausarzt verschrieben. Für sie bedeutete die Einnahme "eine Unterbrechung der unerbittlichen und bedrückenden Dunkelheit. Es hat mich nicht glücklicher gemacht, sondern mir wieder eine Perspektive eröffnet, was zu diesem Zeitpunkt für mich das Wichtigste war. Ich hatte auch zuvor schon Tiefs gehabt, aber diesmal war es anders. Ich war unglücklich in meinem Beruf, mein Chef war schrecklich und ich konnte mich nicht wie, sonst, selbst daraus befreien. Meine Mutter hatte unter Ängsten und Depressionen gelitten. Es war während eines Telefongesprächs mit ihr, am hellichten Tag und in der Öffentlichkeit, dass ich in Tränen ausbrach und sie fragte, woran sie gemerkt habe, dass sie krank sei."

Auch Lou beschrieb ihre Erfahrungen mit Citalopram als positiv. Sie bekam den Arzneistoff verordnet, nachdem bei ihr Depressionen und eine Körperbildstörung festgestellt worden waren. "Mir wurde auch eine kognitive Verhaltenstherapie angeboten, aber ich glaubte nicht, dass mir das helfen würde. Ich war verblüfft, dass eine so kleine und harmlos aussehende weiße Tablette mich so verändern konnte. Ich fühlte mich wie ein neuer Mensch. (...) Ich habe immer noch schlechte Phasen, aber nur noch alle vier bis fünf Monate. Seit ich das Medikament nehme, erleben mich andere Leuter viel glücklicher, ruhiger und selbstbewusster. Ich habe aufgehört, mich selbst zu verletzen, ich kann zur Uni gehen und in die Arbeit und ich schlafe gut ein am Abend. Ehrlich, ich glaube, ich wäre tot, wenn ich keine Antidepressiva verschrieben bekommen hätte."

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