Krankenhausgesellschaft:Krankenhäuser schlagen Alarm wegen Finanznot

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Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Flur. (Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild)

Kosten steigen massiv, aber die Kliniken dürfen sie nicht an die Kassen weitergeben - das bringt viele Häuser in Not. Krankenhäuser und Politiker warnen vor einem „kalten Strukturwandel“. Der Bund müsse handeln, sagt auch die Kieler Gesundheitsministerin.

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Kiel (dpa/lno) - Die rund 70 Kliniken in Schleswig-Holstein haben laut Krankenhausgesellschaft ein Defizit von über 260 Millionen Euro angehäuft. Es wachse stündlich um 32.000 Euro. „Wenn politisch nicht gehandelt wird, erleben wir einen eiskalten Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgungssicherheit“, erklärte Geschäftsführer Patrick Reimund am Dienstag.

Die Kliniken litten unter Inflation und fehlender Refinanzierung. Sie könnten die gestiegenen Preise im bestehenden Finanzierungssystem aus rechtlichen Gründen nicht an die Kassen weitergeben. Die Kliniken beteiligten sich am bundesweiten Aktionstag „Alarmstufe Rot - Krankenhäuser in Not“.

„Die Lage der Krankenhäuser ist verheerend und die Politik tut dagegen bisher wenig bis nichts“, sagte Reimund. Die Krankenhausgesellschaften von Land und Bund fordern einen sofortigen Inflationsausgleich über ein Vorschaltgesetz zur angekündigten Krankenhausreform und Verlässlichkeit bei der Finanzierung.

„Wir müssen weg von immer neuen Hilfspaketen“, sagte Reimund. „Wir eiern uns von Katastrophe zu Katastrophe.“ Die Kliniken benötigten Sicherheit für Träger, Beschäftigte und Patienten. Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) besonders für 2024 mit vielen Insolvenzen auch guter Krankenhäuser rechne, dann sei das eine Kapitulationserklärung. Inflationsbedingte Mehrkosten wie bei Material, externen Dienstleistern oder Lebensmitteln träfen die Kliniken weiterhin. Zu den Belastungen gehöre auch, dass die Refinanzierung der Tarifsteigerungen nur teilweise gesichert sei.

Zu konkreten Folgen sagte Geschäftsführer Roland Ventzke für das Städtische Krankenhaus Kiel, dort würden zwei Stationen derzeit nicht betrieben. In diesem Jahr erwarte die Klinik ein Defizit von zwölf Millionen Euro. Anderswo sei das ähnlich. „Das sind Werte, die kennen wir so nicht.“ Kommunale Eigentümer stünden vor der Entscheidung, die unerwarteten Defizite auszugleichen oder zu privatisieren.

Frühestens ab 2025 werde die Klinikreform konkret wirken, äußerte Reimund. Bis dahin müssten Insolvenzen vermieden werden, damit eine geordnete Neustrukturierung der Versorgung noch möglich sei. Einer Reihe von Krankenhäusern drohe bis dahin die Luft auszugehen. Im Land waren unter anderem die mittlerweile privatisierten Imland-Kliniken, die Diako in Flensburg und das Klinikum Bad Bramstedt in Not geraten.

Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken sprang den Kliniken bei: Viele seien massiv unter wirtschaftlichen Druck geraten sagte die CDU-Politikerin. Sie stehe voll und ganz hinter dem Aktionstag und teile die Forderung, dass der Bund Kostensteigerungen ausgleicht. „Kliniken können sich aus dieser Lage nicht selbst befreien, deshalb braucht es rasche Unterstützung.“

Der Norden habe als einziges Land individuelle Ausgleichszahlungen zur Abfederung der gestiegenen Energiekosten vorfinanziert, betonte von der Decken. So seien direkt zu Jahresbeginn 48 Millionen Euro an die Krankenhäuser geflossen. Das könne nur ein erster Schritt gewesen sein. Um die Kliniken zu entlasten, müsse der Bund jetzt geeignete Ausgleichsmechanismen für die Betriebskostensteigerungen schaffen.

Die Landesregierung habe im Januar entschieden, zusätzliche Mittel für Krankenhausinvestitionen bereitzustellen, sagte von der Decken. Beginnend in diesem Jahr solle es insgesamt 110 Millionen Euro zusätzlich geben. „Dazu wird das Land über zehn Jahre jährlich zwei Millionen Euro zusätzlich aufwachsend zu den Investitionsmitteln hinzunehmen, um dem weiter bestehenden Investitionsstau entgegenzuwirken.“ Da sich Kreise und kreisfreie Städte zu 50 Prozent beteiligen, erhöht sich die Gesamtsumme auf 220 Millionen Euro.

Bis die geplante Reform wirkt, dürfe einem Kliniksterben nicht einfach zugeschaut werden, meinte SPD-Gesundheitspolitikerin Birte Pauls. Auch die Landesregierung müsse sich einbringen: „Es fehlen eine Bedarfsanalyse und Eckpunkte für einen Krankenhausplan für das Land, auf deren Grundlage man arbeiten kann“. Ex-Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) unterstützte die Krankenhausgesellschaft: Der „kalte“, ungesteuerte Strukturwandel müsse umgehend gestoppt werden.

© dpa-infocom, dpa:230620-99-121090/3

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