Infektionskrankheiten:Im Schatten der großen Krankheiten wächst eine neue Gefahr

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Weizen ist eines der Hauptnahrungsmittel der Welt - und durch Schädlinge gefährdet. (Foto: dpa)

Noch nie von TiLV, Ug99 oder Phytophthora gehört? Diese Krankheitserreger sind mindestens so gefährlich wie Ebola und HIV, denn sie gefährden die Ernährung der Welt.

Kommentar von Hanno Charisius

Ebola, Zika, Gelbfieber, Influenza, vielleicht noch Tuberkulose und HIV, das sind gerade die großen Namen unter den Infektionskrankheiten. Sie verbreiten Angst, erzeugen großes Leid, töten Menschen. In ihrem Schatten jedoch gibt es weitere Erreger, über die kaum jemand spricht. Ihre Namen sind TiLV, Ug99 oder Phytophthora. Sie töten zwar nicht unmittelbar, sind aber mindestens ebenso gefährlich wie ihre berüchtigten Verwandten. Sie vernichten die Nahrungsgrundlage von Hunderten Millionen Menschen. Das Virus TiLV etwa bringt den Süßwasserfisch Tilapia um. Ug99 ist ein Pilz, der Weizen sterben lässt. Phytophthora, ebenfalls ein Pilz, befällt Kartoffeln und andere Früchte.

Was kümmert einen das Tilapiavirus im tendenziell mit Eiweiß überversorgten Deutschland? Gibt es halt ein Fischfilet weniger in der Kantine. Ein bisschen steigende Weizenpreise stören hierzulande auch kaum jemanden. Und auf Kartoffeln könnten viele verzichten.

Die Welternährung hängt von nur 150 Pflanzen ab - ein extrem anfälliges System

Schön, wenn es so einfach wäre. Denn in anderen Ländern ist der genügsame Tilapia eine wichtige Eiweißquelle, die nicht so einfach zu ersetzen ist. Nach dem Karpfen ist es die Art, die weltweit am zweithäufigsten in Aquakulturen gehalten wird. Erst in dieser Woche wurde die Identität des Fischkillers TiLV bekannt. Bereits auf zwei Kontinenten hat das Virus Fischfarmen kollabieren lassen. Die Forscher, die ihn entdeckt haben, rechnen damit, dass sich der Erreger bald auf der ganzen Welt ausgebreitet haben wird.

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Von Hanno Charisius

Beim Weizen sieht es ähnlich aus. 90 Prozent aller Weizensorten sind anfällig für den Pilz, der sich von Ostafrika aus über die Welt verteilt. In Ländern wie Afghanistan bedroht er schon die Ernährung der Menschen. Und was Phytophthora vermag, zeigt die Geschichte: Mindestens eine Million Iren verhungerten Mitte des 19. Jahrhunderts, weil die von Phytophthora ausgelöste Kartoffelfäule das wichtigste Grundnahrungsmittel vernichtet hatte, anderthalb Millionen Menschen wanderten aus. Derzeit breitet sich ein Stamm namens "Blue 13" in Südeuropa aus, er ist aggressiv wie nie und widersteht vielen Pflanzenschutzmitteln.

Die Welternährung hängt von etwa 150 Pflanzen ab, drei von ihnen - Reis, Mais und Weizen - liefern allein mehr als die Hälfte der Nahrungsenergie. Die Konzentration auf so wenige Arten hat die Produktion so effizient gemacht, wie sie heute ist. Wie ein artenarmer Wald ist so ein Erzeugersystem aber auch extrem anfällig. TiLV, Ug99 und Phytophthora sind nur drei Beispiele für die zahllosen Schädlinge, die dem Menschen zur Gefahr werden könnten. Man übersieht sie leicht, weil andere Keime noch bedrohlicher wirken. Sie verlangen aber mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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