Bundesgesundheitsminister :Lauterbach warnt vor „beispiellosem Krankenhausterben“

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Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit. (Foto: Felix Müschen/dpa)

Zum zweiten Mal in Folge kam Karl Lauterbach zur nationalen Branchenkonferenz nach Rostock. Neben kleinen Protesten erwarteten ihn viele Fragen zur komplexen Krankenhausreform.

Von Helmut Reuter, dpa

Rostock (dpa) - Der irische Wirtschaftsstaatssekretär Neale Richmond kann bei seiner Rückkehr auf die Grüne Insel selbst Dreijährigen spielend erklären, warum er in Deutschland war. „Die Tatsache, dass Sie das Teddybär-Hospital erwähnten, hat meine elterlichen Pflichten plötzlich viel einfacher gemacht“, bedankte er sich bei Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke). Die hatte nämlich bei der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft bei aller Würdigung Rostocks als Medizintechnologiestandort nicht vergessen, dass das Teddybär-Krankenhaus für Stofftiere und Kinder einmal im Jahr geöffnet hat.

Allerdings stand die „Stofftierheilkunde“ bei den mehr als 600 Konferenzteilnehmern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, darunter am Nachmittag auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), eher nicht im Mittelpunkt. Vielmehr waren es Themen wie Künstliche Intelligenz in der Gesundheitsversorgung, Datenschutz für Patienten, Lebensmittel für die kommende Generation, Nachhaltigkeit für die gesamte Branche, der Fachkräftemangel und die Zukunft der Krankenhäuser.

„Nichts ist so wichtig wie unsere Gesundheit und natürlich ganz besonders die Gesundheit unserer Kinder“, setzte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei der Eröffnung den Grundton für die Konferenz. Um das zu gewährleisten, müsse es eine entsprechende Versorgung geben. Die geplante Krankenhausreform sei wichtig und Mecklenburg-Vorpommern werde sie im Interesse der Bürger konstruktiv begleiten. „Dazu gehört aber für uns ganz klar, dass alle 37 Krankenhausstandorte erhalten bleiben“, so Schwesig.

Es ist ein Thema, das Lauterbach seit vielen Monaten beschäftigt. „Die Krankenhäuser sind in einer Schieflage“, sagte er. „Wir brauchen eine große Reform und arbeiten gut mit den Ländern zusammen.“ Aber auch die Reform werde nicht verhindern können, dass viele Kliniken ausscheiden würden. „Wenn wir die Reform nicht machen, werden 25 Prozent der Krankenhäuser, vielleicht mehr, nicht überleben können.“ Am Rande der Konferenz protestierten rund zwei Dutzend Gegner von Lauterbachs Corona-Politik.

Auch beim Besuch des Südstadt-Klinikums wurde Lauterbach vor dem Gebäude mit Pfiffen von Demonstranten empfangen, die auf den Pflegenotstand aufmerksam machten. Im Klinikum sprach der Minister dann mit rund 40 Ärzten, Pflegerinnen und Krankenschwestern und der Verwaltungsführung über die Reform. „Wir werden noch große Probleme bekommen. Wir sind vor einem beispiellosen Krankenhaussterben“, so Lauterbach, der auf hohe Defizite vieler Häuser und den verschärften Nachwuchsmangel verwies.

Vorige Woche hatte Lauterbach nach Gesprächen mit den Ländern über die Neuaufstellung der Krankenhäuser von einem Durchbruch gesprochen und betont, dass die Grundstruktur der Reform stehe. Der Minister zeigte sich zuversichtlich, über den Sommer einen Entwurf für ein Gesetz zu erstellen, damit die Reform Anfang 2024 an den Start gehen könne. Eckpunkte dafür sollen noch vor der Sommerpause in Abstimmung mit den Ländern erarbeitet werden, dafür sind auch noch Fragen zu klären. Die nächste Bund-Länder-Runde ist für den 29. Juni geplant.

Schon vor der Branchenkonferenz hatte der Tagungspräsident und Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsmedizin Greifswald, Marek Zygmunt, die Sicherung von Personal als eine wesentliche Herausforderung für den Nordosten ausgemacht. „Ich glaube, dass wir hier viele innovative Köpfe, viele spannende Forschungsinstitutionen haben, die die Leute ausbilden. Das ist unser großer Vorteil. Die Frage ist, wie wir die Leute hier halten können“, so Zygmunt.

Bundesweit wuchs die Gesundheitswirtschaft nach Angaben des Schweriner Wirtschaftsministeriums trotz Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine in den vergangenen zehn Jahren beständig. 2022 erbrachte sie 439,6 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Das entspricht 12,7 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland. In MV sind in der Branche rund 160.000 Menschen beschäftigt. Dazu sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD): „Die Gesundheitswirtschaft ist nicht nur Motor von Innovationen, sondern auch einer der größten Arbeitgeber in Mecklenburg-Vorpommern.“

© dpa-infocom, dpa:230606-99-962632/5

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