Gesellschaft:Schule, Kindergarten und Autismus: Kongress in Gera

Lesezeit: 1 min

Eine Therapeutin übt mit einem autistischen Kind das Erkennen und Schreiben von Buchstaben auf einer Tastatur. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild)

Einen Vortrag im Unterricht zu halten, kann Schülern Spaß machen. Für autistische Kinder und Jugendliche ist das jedoch schwierig. Ein Kongress in Gera beschäftigt sich mit Autismus und Schule.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Gera (dpa/th) - Schulen müssen sich nach Ansicht von Fachleuten besser auf Lernprobleme von Kindern und Jugendlichen mit Autismus einstellen. Beispielsweise sollten mündliche Arbeiten wie Vorträge weniger stark zur Leistungsbeurteilung der Betroffenen herangezogen werden, da diesen das Reden vor Publikum aufgrund der Entwicklungsstörung schwerfalle, sagte die Autismusberaterin und Autorin Franca Peinel der Deutschen Presse-Agentur.

Stattdessen sollten schriftliche Leistungen stärker ins Gewicht fallen. „Da braucht es einen Nachteilsausgleich - und das muss für die Schulen verpflichtend sein.“ Bisher regele jede Schule das anders.

Peinel ist Leiterin eines am Freitag beginnenden Autismuskongresses in Gera mit mehr als 300 erwarteten Teilnehmenden. Von Autismus, einer angeborenen und nicht heilbaren Entwicklungsstörung, sind nach ihren Angaben etwa drei Prozent der Bevölkerung betroffen. Formen sind zum Beispiel der frühkindliche Autismus und der Asperger-Autismus. Betroffenen fällt es oft schwer, mit anderen Menschen zu kommunizieren, Beziehungen zu ihnen aufzubauen und eigene Gefühle in Worten auszudrücken.

Zudem könnten sie äußere Reize wie Geräusche, Farben oder Geräusche nicht oder nur schwer ausblenden, was im Schulalltag ein Problem sei, sagte Peinel. „Dabei sind diese Kinder meist normal oder sogar hoch begabt.“

Die 57-Jährige, selbst Asperger-Autistin, plädierte für einen individuelleren Umgang mit betroffenen Kindern und Jugendlichen an Schulen. „Für manche ist Frontalunterricht besser geeignet, andere sprechen gut auf Homeschooling in ihrem gewohnten Umfeld an.“ Ungeeignet für Autisten sei aus ihrer Sicht das freie Lernen in Kleingruppen. „Da fehlt die klare Struktur, die Autisten brauchen.“

Kritisch sieht Peinel die Inklusion an Schulen, also das gemeinsame Lernen von nichtbehinderten Kindern und Kindern mit Handicap. Für die bessere Lösung halte sie Förderzentren mit kleineren Klassen oder sogenannte Diagnoseförderklassen in der Grundschule, in der Kinder mit Handicap mehr Zeit für den Unterrichtsstoff haben. „Leider wurden die mit der Inklusion oft abgeschafft.“

Der zweitägige Kongress in Gera beschäftigt sich mit Autismus in Kindergärten und Schulen. Unter den Teilnehmenden sind neben Lehrkräften und Medizinern auch Betroffenenvertreter.

© dpa-infocom, dpa:230630-99-237574/2

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: