Wenige Tage sind vergangen, seit sich die Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten auf Schloss Elmau getroffen haben. Erstmals waren in der exklusiven Runde auch Antibiotikaresistenzen ein Topthema, eingebracht von der Kanzlerin und ihrem Gesundheitsminister, Hermann Gröhe. Gröhe hatte im März eine Strategie gegen Resistenzen vorgelegt - und dafür nicht nur Lob geerntet. Auch Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik in Köln übt Kritik an den Plänen.
SZ: Was halten Sie vom Engagement der Regierung gegen Antibiotikaresistenzen?
Gerd Fätkenheuer: Ich finde es sehr gut, dass sich die Bundesregierung dieses Themas annimmt, vor allem, weil sie es nun im internationalen Kontext tut. Denn multiresistente Erreger gibt es bei uns zwar auch, aber in anderen Ländern ist die Situation deutlich gravierender. Wenn in diesen Ländern nichts unternommen wird, werden die Probleme bald auch uns erreichen.
Haben uns die Probleme denn nicht schon längst erreicht? Es gibt deshalb immerhin einen Zehn-Punkte-Plan des Gesundheitsministeriums. Und im Mai wurde DART 2020 verabschiedet, ein ausführliches Strategiepapier gegen MRSA und Co.
Ja, aber man sollte sich im Klaren darüber sein, welche Rolle multiresistente Erreger in Deutschland wirklich spielen. Die weit überwiegende Zahl aller Infektionen, ambulant oder im Krankenhaus, wird gar nicht durch multiresistente Erreger verursacht, sondern durch ganz normale Bakterien, die noch empfindlich auf Antibiotika reagieren. Trotzdem sind diese häufigeren Infektionen oft genauso gefährlich. Das Thema ist deshalb als Ganzes zu sehen, nicht nur mit Blick auf die Resistenzen - wie in den Plänen von Bundesminister Gröhe. Denn die meisten Patienten mit schweren Infektionen profitieren von dieser Strategie gar nicht, und auch mit Blick auf die Resistenzen sind einzelne Maßnahmen zweifelhaft.
Welche Maßnahmen zum Beispiel?
Zum einen ist geplant, die Patienten mit Resistenzen frühzeitig zu erkennen, die sogenannten Screenings auszuweiten. Es gibt aber wenige Erreger, für die ein Screening in einzelnen Risikopatienten sinnvoll ist, vor allem, wenn diese Menschen aus Risikogebieten außerhalb Deutschlands kommen. Grundsätzlich zu screenen, ist überhaupt nicht zielführend. Denn wenn man einen Keim bei einem Patienten findet, der selbst gar nicht daran erkrankt ist, sondern den Erreger zum Beispiel einfach so im Darm herumträgt - da weiß man noch lange nicht, was das bedeutet, ob das wirklich gefährlich für den Patienten selbst oder für andere ist.
Man weiß aber, dass der Erreger da ist.
Das Ganze hat aber auch Nebenwirkungen. Wenn so ein Patient von den anderen Patienten und dem klinischen Betrieb isoliert wird, bekommt er häufig nicht die Behandlung, die ihm zusteht. Obwohl er, wie gesagt, gar nicht selbst an dem Keim erkrankt sein muss, und ihn vermutlich auch nicht so leicht auf andere übertragen wird. Die Suche nach resistenten Erregern kann so gesehen zu einer schlechteren Versorgung der Patienten führen. Wir sollten eine sinnvolle Balance schaffen zwischen dem berechtigten Anspruch der Gesellschaft, diese Erreger zu bekämpfen, einerseits. Und andererseits den berechtigten Ansprüchen einzelner Patienten. Da muss man eben auch schauen, ob die Maßnahmen eine solche Balance gewährleisten.
Gibt es denn sinnvollere Maßnahmen?
Die beste Maßnahme, die im Zehn-Punkte Plan auch Erwähnung findet, ist die verbesserte Hygiene, ganz besonders die Händehygiene. Allein durch gewissenhafte Handhygiene mit alkoholischen Lösungen können wir nicht nur Infektionen mit resistenten Bakterien unterbinden, sondern grundsätzlich auch mit anderen, nichtresistenten Keimen - die ohnehin den größeren Teil der Infektionen verantworten.
Wenn es so leicht ist, die Verbreitung von Resistenzen zu verhindern - wozu braucht man dann überhaupt so eine massive Strategie?
Viele Dinge daran sind zweifelhaft. Die Meldepflicht zum Beispiel. Das entscheidende Manko ist für mich, dass dort, wo die Infektionen auftreten, beim Patienten, zu wenig passiert. Gröhes Pläne betonen stattdessen die behördliche Überwachung und Kontrolle der Infektionen.
Unter anderem wird inzwischen der Antibiotikaverbrauch in den Kliniken erfasst, das erscheint doch sinnvoll.
Es ist sicher nützlich und wichtig, einen Überblick über den Verbrauch zu haben, um den sorgfältigen Umgang an einzelnen Krankenhäusern zu gewährleisten. Aber das lässt sich nicht zentral steuern oder überwachen, dazu braucht man Experten an den jeweiligen Kliniken, die sich auskennen, und zwar auf allen entscheidenden Ebenen auskennen, medizinisch und pharmakologisch. Wir wissen aus vielen Studien, dass das komplexe Zusammenspiel aus Diagnose und Behandlung einer Infektion für den Patienten entscheidend ist.
Sind dafür nicht Hygienebeauftragte an den Krankenhäusern verantwortlich?
Der Hygienebeauftragte behandelt keine Patienten. Und wenn ein Mikrobiologe im Labor einen bestimmten Bakterienstamm findet, kann er zwar sagen: Der Keim ist ein Colibakterium, er hat die und die Resistenzen. Und er kann dann zu einem bestimmten Antibiotikum raten. Ob besagtes Bakterium das wesentliche Problem des Patienten ist, kann er aber nicht sehen. Dafür braucht es Experten, die den Patienten untersuchen, andere Ursachen im Blick haben, sich ein Bild von der Situation machen. Solche Infektiologen gibt es aber nicht einmal an allen großen Kliniken.
Aber die Patienten haben jeweils schon einen Arzt, der sie behandelt. Wozu brauchen die Betroffenen noch einen Extra-Arzt für Infektiologie?
Wir hören immer wieder, dass jeder Arzt doch gelernt hat, wie er Antibiotika verschreiben muss. Aber die genannten Studien haben inzwischen klar gezeigt, dass es eben doch einen Unterschied macht, wenn Infektionsspezialisten mit an Bord genommen werden. Das ist etwas, was wir der Politik noch verständlich machen müssen. Bislang wird unser Ansatz kaum unterstützt. Auch die Fortbildung für Ärzte zu sogenannten ABS-Experten nicht mehr, die nur vier Wochen dauert und gerade für kleine Krankenhäuser sehr wichtig ist. Das alles könnte Leben retten.