Zehn Prozent der Menschen weltweit leiden an Hunger - und der Rest isst das Falsche. So lässt sich vereinfacht eine umfangreiche Analyse zusammenfassen, die gerade im Fachmagazin Lancet erschienen ist. Auf Kosten schlechter und unausgewogener Ernährung geht demnach jeder fünfte Todesfall weltweit. Das Ausmaß des Leidens summiert sich damit auf jährlich ungefähr elf Millionen Tote und 255 Millionen beeinträchtigte Lebensjahre rund um den Globus.
"Die Studie bestätigt, was wir lange vermutet haben", sagt Christopher Murray vom Institute of Health Metrics und Evaluation von der University of Washington, das federführend an der Auswertung beteiligt war. "Schlechte Ernährung fordert weltweit mehr Tote als jeder andere Risikofaktor."
Die Analyse bezieht Daten aus 195 Ländern ein und erstreckt sich über den Zeitraum von 1990 bis 2017. Etwa zehn der elf Millionen ernährungsbedingten Todesfälle gehen auf Herzkreislaufleiden wie Infarkt und Schlaganfall zurück, etwas mehr als 900 000 auf Tumore und fast 340 000 auf Typ-II-Diabetes. Im Jahre 1990 kamen entsprechende Hochrechnungen auf weltweit acht Millionen ernährungsbedingte Todesfälle. Der Anstieg um drei Millionen bis 2017 wird mit der Zunahme der Weltbevölkerung und der fast überall höheren Lebenserwartung erklärt.
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Vorschriften und Verbote halfen bisher wenig - besser wären Hinweise auf Gesundes
Die Wissenschaftler hatten 15 Faktoren ausgewertet, mit denen sich die Qualität der Ernährung gut erfassen lässt. Gesundes Essen zeichnet sich demnach dadurch aus, dass es viele Früchte, Vollkorn, Nüsse und Samen sowie ausreichend Obst und Gemüse enthält und nicht so viel rotes Fleisch, Salz und gesüßte Getränke konsumiert werden. Außerdem sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu empfehlen, wie sie in fettem Seefisch und vielen Pflanzenölen enthalten sind.
Diese Ernährungsempfehlungen sind wahrlich nicht neu und werden von der Weltgesundheitsorganisation und diversen Fachgesellschaften leicht variiert immer wieder verbreitet. Die globalen Unterschiede waren dennoch erstaunlich. So erfüllten die Menschen in Israel, Frankreich, Spanien und Japan am ehesten die Ansprüche an eine gesunde und ausgewogene Diät. Dort gab es weniger als 100 ernährungsbedingte Todesfälle pro 100 000 Einwohner.
Auf den hinteren Plätzen finden sich Usbekistan, Afghanistan, Papua Neuguinea und Vanuatu, wo jeweils mehr als 700 von 100 000 Menschen aufgrund schlechter Ernährung sterben. In diesem Ranking schneidet Deutschland mit Platz 38 ab, die USA kommen auf Rang 43 und China findet sich auf Platz 140.
Die weitere Analyse ergab, welche Ernährungsgewohnheit sich besonders nachteilig auf die Gesundheit auswirkte. Dabei zeigte sich, dass besonders der Mangel an ausreichend Obst, Gemüse, Vollkorn und gesunden Fetten das Risiko für Infarkt, Schlaganfall, Diabetes und Tumore erhöhte. Ein Übermaß an Salz schien sich ähnlich negativ auszuwirken.
Zu viel Fleisch und Softdrinks hatten jedoch im Vergleich zu den zuvor genannten Faktoren weniger nachteilige Effekte. "Im Mittelpunkt der politischen Debatten standen in den vergangenen Jahrzehnten Fett, Zucker, Salz, dabei zeigt unsere Erhebung, dass der Mangel an gesunden Nahrungsmitteln ein größerer Risikofaktor ist", sagt Murray.
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Für Ärzte, Wissenschaftler und Politiker ergibt sich daraus die naheliegende Konsequenz, die Bevölkerung anders von einer ausgewogeneren Ernährung zu überzeugen. "Statt Verbote und Vorschriften auszusprechen, sollten eher gesunde Nahrungsmittel angepriesen werden", schreiben Nita Forouhi und Nigel Unwin von der University of Cambridge in einem Kommentar. "Dies würde allerdings auch bedeuten, sich in den Richtlinien eher auf Nahrungsmittel statt auf einzelne Inhaltsstoffe zu konzentrieren."
Allerdings darf bei aller Datenfülle der Analyse nicht verkannt werden, dass lokale Vorlieben der Nahrungszubereitung oft nicht berücksichtigt werden konnten und die Ernährungsempfehlungen primär europäischen Standards folgten.
In vielen Regionen Asiens und Afrikas sind Milchprodukte unterrepräsentiert. Das gilt in Europa als Risikofaktor, wird in anderen Kontinenten jedoch durch mehr Gemüse und Getreide auf dem Speiseplan ausgeglichen. Zudem ist gesunde Ernährung kostspielig: Die empfohlenen zwei Portionen Obst und drei Portionen Gemüse täglich verschlingen in armen Ländern die Hälfte des Durchschnittseinkommens. 16 Prozent sind dafür in Schwellenländern zu veranschlagen, in reichen Ländern machen sie zwei Prozent des Durchschnittseinkommens aus.