Ernährung:Mehlwurm zum Kaffee

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Mehlwürmer enthalten reichlich Nährstoffe. (Foto: Yoshikata/Photocase.de)
  • 180 Menschen haben an der Studie teilgenommen, für die sie Mehlwürmer in Schokotrüffeln essen sollten - und dazu unterschiedliche Werbebroschüren vorgelegt bekamen.
  • Für die Wissenschaftler ist seitdem klar, dass Menschen ihren Ekel überwinden können, wenn sie die richtigen Informationen erhalten.

Von Astrid Viciano

Unter der Schoko-Glasur waren die Mehlwürmer gut zu erkennen. Knusprig waren die Tiere im Biss, nussig im Geschmack, und sie sollten in einer aktuellen Studie Aufschluss darüber geben, wie Insekten den Menschen in Westeuropa schmackhaft gemacht werden können.

An einem belebten Kölner Platz sprachen Forscher um den Berner Verhaltensökonom Sebastian Berger Passanten an, ob sie für fünf Euro 15 bis 20 Minuten lang an einer Konsumentenstudie teilnehmen wollten. Die Teilnehmer wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es dabei um Insekten als Nahrungsmittel gehen würde, sie ahnten schon gar nicht, dass sie gegen Ende der Befragung ein Insekt verspeisen sollten. "Sonst hätten Menschen, die sich vor Insekten besonders ekeln, die Teilnahme an der Studie abgelehnt. Das wollten wir vermeiden", sagt Berger vom Institut für Organisation und Personal an der Universität Bern und Mitautor der Studie, die in der Zeitschrift Frontiers in Nutrition erschienen ist.

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180 Menschen zwischen 18 und 72 Jahren konnten Berger und Kollegen für die Studie gewinnen, sie hatten einen hohen Bildungsgrad, 115 von ihnen hatten Abitur, 32 einen Universitätsabschluss. Zunächst mussten die Probanden im Labor einen Fragebogen ausfüllen, dann erhielten sie einen von sechs verschiedenen Werbebroschüren über eine frei erfundene Start-up-Firma, die angeblich Insekten als Lebensmittel vermarkten will.

Zwei Gruppen erhielten Broschüren mit Nachrichten, die sich auf den langfristigen Nutzen des Insektenkonsums konzentrierten: "Fleisch war noch nie so gesund" stand dort zum Beispiel. Oder "Fleisch war noch nie so umweltfreundlich". Tatsächlich sind Insekten besonders reich an Nährstoffen und Vitaminen, Mehlwürmer zum Beispiel enthalten etwa die gleiche Menge an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren wie Fisch. Noch dazu schont die Insektenzucht die Umwelt. Ein Schwein zum Beispiel produziert zehn bis hundert Mal mehr Treibhausgase pro Kilogramm Wachstum als Mehlwürmer und braucht eine mehr als doppelt so große Nutzfläche, berichteten Experten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) im Jahr 2013.

Andere eigens für die Studie produzierte Werbebroschüren betonten dagegen, wie exquisit die Insekten seien, wie lecker die Speisen, wie exotisch oder wie trendy.

Im Anschluss an die Lektüre servierten die Forscher ihren Probanden einzeln die Mehlwurm-Schokotrüffel auf Kaffeegeschirr. Jeder Trüffel bestand aus rund 20 Mehlwürmern und war mit dunkler Schokolade überzogen. Nach Anblick der Speise sollten die Teilnehmer dann entscheiden, ob sie den Schokowürfel probieren und ihren Geschmack auf einer Skala von 1 bis 11 bewerten wollten.

Von den Gruppen, die Werbung zu langfristigen Gesundheitsvorteilen oder zum Umweltschutz erhalten hatten, trauten sich nur 61,3 Prozent an die Schokomehlwurm-Praline heran. In den übrigen vier Gruppen, die über den Genusswert des Mehlwurm-Trüffels gelesen hatten, waren es dagegen 76,2 Prozent. "Bei diesen Gruppen hatten wir mit den Werbeflyern höhere Erwartungen an den Genuss geweckt", sagt Berger.

Schon aus der Vergangenheit weiß der Verhaltensökonom, dass der Ekel vor bestimmten Nahrungsmitteln verlernt werden kann. "Das ist nicht angeboren, sondern meist kulturell bedingt", sagt Berger. In den USA galt früher Hummer zum Beispiel als so widerwärtig, dass er selbst Gefängnisinsassen nicht öfter als zwei Mal pro Woche vorgesetzt werden durfte. Inzwischen gilt er als Luxusware. Was für die Mehlwurm-Schokotrüffel hoffen lässt. Immerhin hatte ein ehemaliger Sterne-Koch sie für die Studie hergestellt.

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