Das die Krankheit Aids auslösende HI-Virus beherrscht etwas, woran viele andere Erreger scheitern. Es kann sich in der Anfangsphase einer Infektion extrem gut vor dem menschlichen Immunsystem verstecken. Letzteres ist darauf ausgerichtet, eindringende Erreger anhand verschiedener Warnsignale zu entdecken und zu zerstören. Handelt es sich bei dem Eindringling jedoch um das HI-Virus, versagt die Überwachung durch das Immunsystem meist - weil die körpereigene Abwehr den Erreger gar nicht wahrnimmt.
Das HI-Virus versteckt sich unter einem biochemischen Tarnmantel. Dieser aber ist erstaunlich fragil - wenn er mit der richtigen Strategie angegriffen wird ( Nature, online). Der Tarnmantel besteht aus Eiweißmolekülen, die das Virenerbgut umhüllen. Ändert man nur einen einzigen Baustein in den Tarnmantel-Genen, ist es vorbei mit der Unsichtbarkeit - das Virus fliegt auf.
Forscher um die Virologin Jane Rasaiyaah vom University College London veränderten das Erbgut des Erregers so, dass sich seine Eiweißhülle geringfügig von der natürlicher Viren unterschied. Eine einzige dieser gezielten Mutationen genügte, um die Tarnung verschwinden zu lassen. Die veränderten Viren machten auf sich selbst aufmerksam, indem sie die Produktion verräterischer Botenstoffe (Interferone) anregten. Diese Substanzen dienen dem Immunsystem als Alarmsignale. Normale HI-Viren hingegen lösen meist keine Interferon-Produktion aus - ihre Eiweißhülle verhindert dies.
Zusätzlich konnte das Team um Rasaiyaah zeigen, welcher Bestandteil der veränderten, ungetarnten HI-Viren zur Bildung der alarmgebenden Interferone führt. Offenbar ist hierfür die DNA des Erregers zu einem Zeitpunkt entscheidend, zu dem sie sich noch nicht in die Erbsubstanz der menschlichen Zellen integriert hat. Auf diesen späteren Einbau in die DNA der Wirtszellen ist das Virus angewiesen, um sich vermehren zu können. Ansätze für neue Therapien lassen sich aus der aktuellen Studie nicht unmittelbar ableiten.