Gute Nachrichten für geplagte Kinderseelen: Erstmals seit 20 Jahren ist der Verbrauch von Methylphenidat in Deutschland nicht weiter angestiegen. Nach Auswertungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden 2013 bundesweit 1803 Kilogramm der besonders unter dem Handelsnamen Ritalin bekannten Substanz verbraucht.
2012 waren noch 1839 Kilogramm des Wirkstoffs verarbeitet worden, der hauptsächlich zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität (ADHS) verwendet wird. In den zehn Jahren zuvor hatte sich der Verbrauch verdreifacht.
Unkritischer Umgang
"Von einer echten Abwärtstendenz können wir noch nicht sprechen", sagt Walter Schwerdtfeger, Präsident des BfArM. "Gleichwohl werten wir diesen ersten leichten Rückgang nach dem massiven Anstieg der vergangenen 20 Jahre als ein positives Signal, das möglicherweise auf einen kritischeren Umgang mit Methylphenidat hindeutet." Die vergangenen beiden Jahrzehnte waren eher durch einen unkritischen Umgang mit dem Stimulanz gekennzeichnet, schließlich sind die Verordnungszahlen für Ritalin und Co. seit 1990 kontinuierlich und teilweise dramatisch gestiegen.
Im Jahr 2000 wurde mit einem Zuwachs von 91 Prozent gegenüber dem Vorjahr die größte Steigerung registriert. Trotz zunehmender Kritik an der vorschnellen Verschreibung stieg der Verbrauch bis 2008 jährlich um durchschnittlich 17 Prozent. Erst seit 2009 verlangsamte sich der Anstieg auf etwa drei Prozent. Im vergangenen Jahr sank der Verbrauch erstmals geringfügig - und zwar um zwei Prozent.
Nicht jedes Kind mit ADHS braucht auch Ritalin
Dass immer freizügiger Ritalin verschrieben wurde, führen Kritiker auf die zu schnell und zu oft gestellte Diagnose ADHS zurück. Fachleute vermuten, dass höchstens vier bis fünf Prozent der Kinder eines Jahrgangs an der Aufmerksamkeitsstörung leiden könnten, das wären ein oder zwei pro Klasse, die aber längst nicht alle medikamentös behandelt werden müssen. Fehl- und Übertherapie trugen dazu bei, dass Ritalin häufiger als notwendig verschrieben wurde, im Jahr 2012 verordneten Ärzte allein in Deutschland knapp 60 Millionen Tagesdosierungen.
"Ausgelöst wurden die Steigerungen in den letzten eineinhalb Jahrzehnten vermutlich durch Ausweitungen des psychiatrischen Krankheitsbegriffs", schreiben die Autoren des Arzneiverordnungsreports 2013. Dass Methylphenidat seit 2011 auch für die Behandlung Erwachsener mit ADHS zugelassen ist, hat offenbar nicht zu einem Anstieg des Verbrauchs geführt.