Zinsen bei Banken:Der unentdeckte Milliardenschatz

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Auf privaten Girokonten schlummert viel Geld: Die Banken nutzen das gerne - und zahlen dafür allenfalls einen lächerlich niedrigen Zinssatz. Die Kunden können aber etwas dagegen tun.

Thomas Öchsner

Die Bankkunden in Deutschland sitzen auf einem Schatz. Fast 200 Milliarden Euro schlummern meist unverzinst auf privaten Girokonten. Ist das Konto dagegen überzogen, zahlen sie oft sehr hohe Zinsen. Schließlich ist der Dispokredit in der Regel die teuerste Variante, sich bei einer Bank Geld zu leihen.

95 Millionen Girokonten gibt es in Deutschland. Doch die meisten sind für die Kunden vor allem Geldgräber. (Foto: ddp)

Dieser Doppelfehler freut die Kreditinstitute - und kostet die Verbraucher viel Geld: Bis zu 4,3 Milliarden Euro im Jahr verschenken die Bundesbürger, weil sie das Guthaben auf Girokonten nicht auf höherverzinsliche Tagesgeldkonten ( hier geht es zum sueddeutsche.de-Tagesgeldrechner) übertragen und den Dispokredit nicht durch einen günstigeren Rahmenkredit ersetzen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Düsseldorfer Finanzexperten Udo Keßler, die sich auf Daten der Frankfurter FMH-Finanzberatung und der Deutschen Bundesbank stützt und der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

95 Millionen Girokonten gibt es in Deutschland. Doch die meisten sind für die Kunden vor allem Geldgräber: Nur etwa jede dritte Sparkasse oder Bank schreibt auf privaten Girokonten überhaupt Zinsen gut, wie die FMH-Finanzberatung von Max Herbst bei einer Abfrage von 56 Geldhäusern ermittelte. Im Durchschnitt wird jedes Guthaben auf Girokonten nur mit mickrigen 0,15 Prozent verzinst. Eher selten rückt ein Institut 0,5 Prozent oder gar mehr heraus. Trotzdem überlassen viele Kunden den Banken jede Menge Geld: Aus dem Monatsbericht Mai der Bundesbank geht hervor, dass die sogenannten Sichteinlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten von Unselbstständigen und sonstigen Privatpersonen, also Arbeitnehmern, Beamten, Auszubildenden, Rentnern, Hausfrauen oder Studenten, 570,6 Milliarden Euro umfassen. Etwa 35 Prozent dürften davon nach einer Bankenumfrage von Keßler und der FMH-Finanzberatung auf private Girokonten entfallen, macht 199,7 Milliarden Euro. Würden diese Bankkunden nun die vielen Milliarden auf ein Tagesgeldkonto überweisen, könnten sie auf ein ganzes Jahr hochgerechnet zusätzlich 2,5 Milliarden Euro an Zinsen kassieren.

Grundlage der Berechnung ist der durchschnittliche Zinssatz für Tagesgeldkonten in Höhe von derzeit 1,4 Prozent, abzüglich der Durchschnittsverzinsung für Guthaben auf Girokonten. Viele Geldhäuser geben sich aber großzügiger. Sie haben in den vergangenen Wochen ihre Konditionen für Erspartes auf Tagesgeldkonten erhöht. Einige wie die Norisbank, Cortal Consors oder ING Diba zahlen, zumindest für Neukunden, sogar mehr als zwei Prozent. Angenommen, die Kunden übertragen ihren Geldschatz von den privaten Girokonten auf Top-Tagesgeldkonten mit einem Zinssatz von glatt zwei Prozent, würde sich ihr jährlicher Zusatzertrag sogar auf 3,7 Milliarden Euro erhöhen.

Nun wäre es sicherlich nicht clever, das Girokonto stets komplett abzuräumen, weil ja Rechnungen zu bezahlen sind oder Daueraufträge, etwa für die Miete, fällig werden. Die Düsseldorfer Untersuchung zeigt jedoch, dass jeder Bankkunde mit relativ wenig Aufwand sein Geld vermehren kann.

Dies gilt auch für den Dispokredit, den viele Bürger gerne nutzen. So überzieht laut der Banken-Umfrage etwa jeder sechste Bankkunde regelmäßig sein privates Girokonto. Auch dies summiert sich zu einem beträchtlichen Batzen Geld. Die Bundesbank beziffert die Schulden auf Lohn-, Gehalts-, Renten- und Pensionskonten mit 13,7 Milliarden Euro. Die Kreditinstitute nutzen dies wie eine Lizenz zum Gelddrucken: Während sie Guthaben nur selten verzinsen, kassierten sie Ende Mai im Durchschnitt 11,3 Prozent Sollzinsen. In der Spitze sind es sogar 14 Prozent. Selbst für die 11,3 Prozent fallen aufs Jahr bereits 1,615 Milliarden Euro Dispozinsen an, bei der üblichen vierteljährlichen Zinsverrechnung.

Auch hier lassen sich viele Millionen sparen. Möglich machen dies die Abruf- oder Rahmenkredite, die immer mehr Banken anbieten. Dabei räumt ein Geldinstitut einen bestimmten Kreditrahmen ein, unabhängig davon, bei welchem Geldhaus das Girokonto geführt wird. Der Abrufkredit beginnt meist bei 5000 Euro und geht herauf bis zu 25000 Euro. Zinsen werden für den Kunden nur für den Betrag fällig, den er auch beansprucht. Ein weiterer Vorteil: Der Kredit lässt sich jederzeit auf einen Schlag zurückzahlen. Die variablen Sollzinsen sind derzeit mit durchschnittlich 8,7 Prozent deutlich niedriger als beim Dispokredit. Teilweise verlangen Institute sogar weniger als sieben Prozent und verzichten auf eine Bearbeitungsgebühr. Der Finanzexperte Keßler rechnet vor: Würden die Verbraucher ihre 13,7 Milliarden Euro Schulden auf Girokonten durch Abrufkredite ablösen und statt 11,3 nur 7,0 Prozent Sollzinsen zahlen, vermindert sich der jährliche Zinsaufwand um 625 Millionen Euro. So errechnet sich ein Einsparpotential von insgesamt 4,3 (3,7 plus 0,6) Milliarden Euro.

Auch beim Abrufkredit lohnt sich ein Blick auf die Sternchen hinter den Angeboten, die auf das Kleingedruckte verweisen. So verlangt der Newcomer, Standard Chartered Bank, für den Abrufkredit lediglich 3,95 Prozent Zinsen, ein bundesweit wohl einmaliges Angebot. Allerdings gilt der Spitzenzins nur das erste halbe Jahr. Danach kassiert das Geldhaus das Zweieinhalbfache. Da dürfte für Kunden, die ständig in den roten Zahlen sind, der Wechsel zu einer Bank mit günstigem Dispokredit die bessere Alternative sein.

© SZ vom 06.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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