Wohnungsmarkt:Oben angekommen?

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Vor allem junge Familien kaufen Häuser außerhalb der Metropolen. Investoren erhoffen sich in den B-Städten höhere Renditen. (Foto: Imago/Hans Blossey)

Manche Analysten sehen schon die Trendwende in Metropolen. Immobilienkäufer suchen vermehrt in kleineren Städten, die nicht so teuer sind.

Von Miriam Beul-Ramacher

Die Anziehungskraft der sieben größten deutschen Städte des Landes lässt nach. Weil Mieten und Kaufpreise in den vergangenen Jahren permanent gestiegen sind, weichen vor allem junge Erwachsene vermehrt auf die Speckgürtel und kleine Städte aus, stellt das Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin fest. Demnach gewinnen nicht Berlin oder Hamburg, sondern Städte wie Darmstadt oder Regensburg die meisten Bewohner zwischen 20 und 35 Jahren hinzu.

Auch das Analysehaus Empirica nennt im Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA) günstigere Städte wie Rostock, Erlangen oder Leipzig als Gewinner des veränderten "Schwarmverhaltens". Und attestiert zugleich den Großstädten Übertreibungen bei den Mieten und Kaufpreisen. Zwar hätten alle sieben Top-Städte in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs bei den Einwohnerzahlen erfahren. Doch die Struktur der Zuwanderung ändere sich - vor allem in Hamburg, Berlin und München. "Der Zuzug durch das Schwarmverhalten junger Menschen hat sich deutlich abgeschwächt", sagt Empirica-Chef-gutachter Professor Harald Simons. Da zudem in Zukunft kaum mit einer dauerhaft hohen Zuwanderung wie in den vergangenen drei Jahren zu rechnen sei, würden in einigen Städten inzwischen sogar zu viele Wohnungen gebaut. Die Folge sei ein Trendbruch bei den Preisen - vor allem in Berlin, Hamburg und München. Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen könnten dort in der Größenordnung von einem Viertel bis zu einem Drittel zurückgehen.

Am Bedarf vorbei: In vielen Städten werden vor allem teure Wohnungen gebaut

Auch die Commerzbank veröffentlichte Ende Februar eine Studie, nach der Wohnimmobilien bundesweit zu teuer seien. Dazu hat die Analyse-Abteilung der Bank in einem Modell die Hauspreisentwicklung mit der Entwicklung der Baukosten, der Realzinsen, des Pro-Kopf-Einkommens, der Arbeitslosenquote sowie der demografischen Entwicklung der 25- bis 44-Jährigen verglichen. Aus diesen volkswirtschaftlichen Variablen leitet die Bank einen sogenannten "fairen" Preis ab, der von den tatsächlichen Preisen um zehn Prozent überschritten werde, und zwar sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Die Deutsche Bundesbank beziffert die Preisübertreibungen für die sieben größten Städte Deutschlands auf 15 bis 30 Prozent über dem gerechtfertigten Niveau.

Auch wenn viele Akteure die Prognosen für überzogen halten: Zu hohe Preise sind auf Dauer ein Problem. Sie schließen nicht nur viele Eigennutzergruppen - vor allem Familien mit Kindern - vom Markt aus, was in Wahlkampfzeiten ein politisch heikles Thema ist. Sie machen auch die Kalkulation für Kapitalanleger zunichte.

Was die Analysten beschreiben, ist im Alltagsgeschäft der Entwickler längst spürbar. Zum Beispiel in Düsseldorf. Zwar fallen die Preisübertreibungen in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt noch vergleichsweise moderat aus. Trotzdem trifft das relativ große Angebot an sehr teuren Neubauwohnungen auf eine schwindende Nachfrage. "Alles, was mehr als 4500 bis 5000 Euro pro Quadratmeter kostet, lässt sich nicht mehr so leicht verkaufen wie vor ein oder zwei Jahren. Der Markt ist gesättigt, das Angebot ist zu groß und die Preise stagnieren", sagt etwa Uwe Menzel, Leiter Privatimmobilien beim Maklerhaus Aengevelt. Der Trend werde auch laufende und geplante Entwicklungen beeinflussen und "Preiskorrekturen nach unten" zur Folge haben, ist Menzel sicher. Der eine oder andere habe ganz klar "zu ambitioniert kalkuliert".

Brisanz liegt in der Angebotsstruktur: Gut 50 Prozent der derzeit in Bau befindlichen Eigentumswohnungen sind zu Preisen oberhalb der 5000-Euro-Marke kalkuliert. Weil es davon schon genügend gibt, zieht sich die Vermarktung immer länger hin. Ein Blick auf die Verkaufsstände in einigen Neubauquartieren zeigt, dass - anders als vor einigen Jahren - die ganz teuren Wohnungen als Letztes weggehen.

Doch das sitzen Entwickler eigenen Aussagen zufolge ganz gut aus. "Auf längere Abverkaufszeiten sind wir vorbereitet", sagt etwa Kruno Crepulja, CEO des Wohnungsentwicklers Formart, der bundesweit derzeit etwa 5000 Eigentumswohnungen baut, ausschließlich in den großen Städten. In Düsseldorf hat Formart jüngst zwei Grundstücke für den Bau von etwa 600 Wohneinheiten erworben. Crepulja glaubt nicht, dass die Metropolen für Wohnungssuchende nicht mehr attraktiv sind und die Musik für Entwickler künftig in der Provinz spielt. "Wir werden jedenfalls keine Wohnungen in Rostock bauen", sagt der Formart-Chef. Auch Entwicklerkollege Michael Westerhove, CDO beim Kölner Wohnungsentwickler und Asset Manager bei Corpus Sireo, will sich beim Wohnungsbau weiterhin auf Standorte in den fünf bis sieben größten Städten konzentrieren. "B-Städte heißen B-Städte, weil es dort in schwachen Marktphasen für Investoren keinen Plan B gibt", ist Westerhove überzeugt. Eine Nachfrageflaute könne er in den eigenen Neubauprojekten nicht verzeichnen. Allerdings gebe er zu, nur eine ganz bestimmte Klientel zu bedienen. "In vielen der von uns verkauften hochpreisigen Wohnungen leben keine Kinder.

In einigen der teureren Quartiere liegt die Quote der kinderlosen Erwerber bei 93 Prozent", so Westerhove.

Die A-B-C-Stadt-Debatte ist nach Auffassung von Marc Weinstock, geschäftsführender Gesellschafter der DSK-BIG- Gruppe, wenig zielführend, um zukunftsgerichteten Wohnungs- und Städtebau zu betreiben. Als bundesweit tätiger Stadt- und Flächenentwickler sehe die DSK-BIG Wohnraumbedarf sowohl in den Großstädten als auch an der Peripherie. Das Umland als Gesamtentwicklungsraum müsse man unbedingt mit im Auge behalten. "Die Nachfrage nach Baugrundstücken für Einfamilienhäuser ist in den Speckgürteln der Metropolen ungebrochen. Auch wenn Hamburg viele Zuwanderer hat: Nicht alle wollen und können in der Hafencity wohnen", sagt Weinstock. Um alle Schichten mit Wohnraum zu versorgen, könne man sich nicht einseitig auf die Innenverdichtung beschränken. "Ohne Außenentwicklung an den Rändern der Städte geht es nicht", betont Weinstock.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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