Vietnam:Bau mit Botschaft

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Ihnen gehört weder das Grundstück noch dürfen sie ihre Mieter frei aussuchen: Dennoch haben Investoren mitten in Ho-Chi-Minh-Stadt den Büroturm "Deutsche Haus" gebaut. Ein ungewöhnliches Projekt.

Von Andreas Remien

Die Kathedrale Notre-Dame ist nur ein paar Blocks entfernt, drei Konsulate sind gleich nebenan, und auch den Wiedervereinigungspalast kann man gut zu Fuß erreichen. "Beste Lage", schwärmt Heinz-Peter Specht, Verwaltungsrat in der Investorengruppe des Deutschen Hauses Ho-Chi-Minh-Stadt. Das hatte sich wohl auch Frank-Walter Steinmeier bei seinem Vietnam-Besuch 2008 gedacht, als er in seiner Funktion als Außenminister auf das Grundstück aufmerksam wurde, das einst die Bundesrepublik Deutschland "für diplomatische Zwecke" gekauft hatte. Drei Jahre später wurden die Pläne, das Grundstück zu bebauen, konkret. Im Oktober 2011 unterzeichneten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der vietnamesische Premierminister ein entsprechendes Abkommen. In diesem Jahr ist das Projekt nun fertig geworden: ein 107,5 Meter hoher Gebäudekomplex mit dem Namen "Deutsches Haus", mitten im ersten Distrikt von Ho-Chi-Minh-Stadt.

Wer in das Haus einzieht, sollte einen Bezug zu Deutschland haben

Die Konstellation des Projekts ist außergewöhnlich. Das fängt schon bei den Besonderheiten des Grundstücks an. Im Jahr 1960 hatte die Bundesrepublik die Fläche in der Stadt gekauft, die damals noch Saigon hieß. Nach dem Krieg und der anschließenden Enteignung 1975 erhielt die Bundespublik 2011 das Nutzungsrecht zurück, mindestens für 99 Jahre. Eigentümer ist Deutschland also offiziell nicht - ähnlich wie in China gehören in Vietnam Grundstücke grundsätzlich dem Staat, können also formal nur gepachtet werden. Auch die Investoren konnten die Fläche daher nicht kaufen. Sie haben von der Bundesrepublik die Erlaubnis, das Grundstück 30 Jahre zu nutzen, mit Verlängerungsoption auf weitere 30 Jahre. Im Gegenzug mussten sie einen einmaligen Betrag zahlen und sich dazu verpflichten, Räume für das deutsche Generalkonsulat zu bauen und diese 30 Jahre mietfrei zur Verfügung zu stellen. Allein das entspreche schon einem Gegenwert von etwa 35 Millionen Euro, sagt Specht.

Gewonnen hat die EU-weite Ausschreibung zur Bebauung des Grundstücks im Juli 2013 eine deutsche Investorengruppe um Horst Geicke, Bernd Dietel und Horst Pudwill - drei sehr wohlhabende Unternehmer, die zum Teil mit Immobiliengeschäften in Asien zu viel Geld gekommen sind. Sie haben etwa 100 Millionen Euro in das Hochhaus im Einparteienstaat Vietnam investiert, einen großen Teil davon mit Eigenkapital. Gemeinsam mit den Architekten Meinhard von Gerkan und Nikolaus Goetze vom Architektenbüro gmp entwickelten sie das Konzept für das Hochhaus.

Die Verzahnung mit der Bundesregierung ist nach wie vor sehr eng. Alle vier bis sechs Wochen muss Specht zur Lenkungskonferenz nach Berlin ins Auswärtige Amt. "Ich bin die Schnittstelle zwischen Investoren und Bundesregierung", sagt Specht. Für die Bundesregierung ist das Gebäude vor allem ein politisches Symbol - es sei ein gutes Beispiel für die verlässlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam, sagte Steinmeier beim Richtfest im vergangenen Jahr, in dem Haus sollten sich Wirtschaft und Kultur der Länder begegnen.

Anfang des Jahres fehlte noch ein Stück von der Fassade, seit Herbst ist das „Deutsche Haus“ in Vietnam fertig. (Foto: Deutsches Haus Ltd.)

Für die Investoren ist der Turm vor allem auch ein Anlageobjekt. Im sechsten Stock des neuen Gebäudes kommt zwar das Generalkonsulat der Bundesrepublik unter. Der Rest der Fläche kann aber an Unternehmen vermietet werden. Die deutsche Wirtschaft könne sich "sehr geballt und gemeinsam in Ho-Chi-Minh-Stadt" zeigen, sagte Merkel bei der Unterzeichnung der "Erklärung von Hanoi" im Oktober 2011. Dafür stehen nun circa 30 000 Quadratmeter vermietbare Geschossfläche zur Verfügung, vor allem für Büromieter, aber auch für den Einzelhandel, ein Café und ein Restaurant mit Außenterrasse im 20. und 21 Stockwerk.

Wer in das Deutsche Haus einzieht, muss auch einen Bezug zu Deutschland haben. Dafür reicht schon eine Mitgliedschaft im privaten Wirtschaftsverband GBA oder in der Außenhandelskammer aus. Ganz so einfach ist die Vermietung in der sozialistischen Republik dann aber doch nicht. So müssen die Investoren die Namen ihrer potenziellen Büromieter erst dem deutschen Generalkonsulat mitteilen. Anschließend muss auch noch die Stadtregierung in Form des Volkskomitees ihr Einverständnis geben. Bisher habe es da aber keine Probleme gegeben, berichtet Specht. Zu den Mietern gehören unter anderem Adidas, Siemens, Regus, die Commerzbank und Bosch.

Entgegen kommt den Investoren die Entwicklung auf dem Büromarkt in Ho-Chi-Minh-Stadt. Die Büromieten sind dort laut Immobiliendienstleister Colliers International deutlich gestiegen. Anfang 2015 haben Vermieter hochwertiger Flächen im Mittel knapp 35 US-Dollar pro Quadratmeter verlangt. Wer Büros im Deutschen Haus beziehen möchte, muss je nach Stockwerk mit 40 bis 55 US-Dollar pro Quadratmeter rechnen. Dennoch sind schon mehr als die Hälfte der Flächen belegt. "Wir rechnen damit, dass im kommenden Jahr das Haus voll ist", sagt Specht.

Public Private Partnership: Investoren und Frank-Walter Steinmeier (Mitte) in seiner Funktion als Außenminister im November 2016. (Foto: Deutsches Haus Ltd.)

Grund zum Optimismus gibt den Investoren auch die Energieeffizienz des Gebäudes. In ihren Nachhaltigkeitsstrategien haben sich vor allem europäische und amerikanische Unternehmen dazu verpflichtet, bei der Auswahl neuer Büroräume ökologische Kriterien heranzuziehen. Im Vorteil sind daher Gebäude, die zertifiziert sind, zum Beispiel nach den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) oder der US-amerikanischen Leadership in Energy and Environmental Design (LEED). Das Deutsche Haus hat beide Zertifikate, die LEED-Plakette sogar in Platin. "Es ist energetisch das beste Haus in ganz Vietnam", sagt Specht. Im Herbst hat es bei den Mipim-Asia-Awards, so etwas wie die Oscar-Verleihung in der Immobilienbranche, den zweiten Platz in der Kategorie "beste Büroentwicklung" geholt.

Die hohe Energieeffizienz hatte allerdings auch ihren Preis. So hat allein die Doppelfassade etwa ein Fünftel der Baukosten ausgemacht. Kostspielig waren auch die Hochsicherheitsräume für das deutsche Generalkonsulat. Die Investoren sind trotzdem optimistisch, dass sich das Investment lohnen wird. Laut Vertrag dürfen sie das Hochhaus samt Nutzungsrecht auch an einen anderen Investor verkaufen. Deutsche Immobilienfonds haben sich laut Specht noch nicht gemeldet - ihnen ist das Investment in Vietnam anscheinend zu riskant. Anleger aus dem asiatischen Raum hätten allerdings schon angeklopft, sagt Specht. Dass Investoren aus dem Ausland bald das Deutsche Haus übernehmen, ist aber nicht wahrscheinlich. "Das Haus", sagt Specht, " wurde nicht gebaut, um es gleich wieder zu verkaufen".

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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