Vatikanbank: Geldwäsche-Skandal:Im Auftrag des Papstes

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"Der komplizierteste Tag meines Lebens": Finanzethiker Ettore Gotti Tedeschi sollte den Ruf der Vatikan-Bank IOR aufpolieren. Jetzt hat ihn die Staatsanwaltschaft im Visier.

Ulrike Sauer

Die Schatten der unrühmlichen Finanzgeschichte des Vatikans haben Ettore Gotti Tedeschi schnell eingeholt. Nur 363 Tage nachdem Papst Benedikt XVI. in großer Not den streng katholischen Finanzethikprofessor und langjährigen Italien-Chef der spanischen Banco Santander an die Spitze der Vatikanbank IOR berufen hatte, haben Staatsanwälte nun Ermittlungen gegen den Bankier wegen des Verdachts auf Geldwäsche eingeleitet.

Ettore Gotti Tedeschi sollte bei der Vatikanbank aufräumen - nun ist er selbst in einen Skandal verwickelt. (Foto: Reuters)

"Es war der komplizierteste Tag meines Lebens", seufzte der 65-Jährige am späten Dienstagabend beim Verlassen seines Büros, das im mittelalterlichen Bankturm am Rand des Petersplatzes angesiedelt ist. Er fühle sich zutiefst gedemütigt.

Dabei ist Ettore Gotti Tedeschi der Mann, der vom Papst mit der Öffnung und Reformierung der Vatikanbank beauftragt worden war. Nun steht er im Visier der italienischen Justiz. Es ist eine historische Zäsur. Denn erstmals hat einer der geheimnisumwitterten "Bankiers Gottes" den Immunitätsschutz verloren, der seit 1946 für die IOR-Beschäftigten gegolten hatte und erst 1993 aufgehoben wurde.

Die römische Staatsanwaltschaft ordnete jetzt die Beschlagnahme von 23 Millionen Euro auf einem Konto der Vatikanbank bei einem kleinen Genossenschaftsinstitut an und eröffnete die Untersuchungen gegen den IOR-Chef. "Verdacht auf unterlassene Beachtung" der europäischen Anti-Geldwäscheregeln, lautet der Vorwurf.

Schwarzer Tag für Italien

Für Italiens Geldmanager war der Dienstag insgesamt ein schwarzer Tag. Während in Mailand Unicredit-Chef Alessandro Profumo nach 15 Jahren von seinen Aktionären gefeuert wurde, ging die Staatsanwaltschaft gegen den konservativen, Opus Dei nahestehenden Gotti Tedeschi vor. Die beiden Banker verbinden Lehrjahre bei der US-Beratungsfirma McKinsey und ein Buch, das sie gemeinsam geschrieben haben: "Animal Spirits - die gerechte Konkurrenz".

Was hinter den neun Meter breiten Grundmauern der Vatikanbank Anfang September passierte, rekonstruieren die Staatsanwälte Nello Rossi und Stefano Fava so: IOR soll am 6. September den Auftrag erteilt haben, vom Konto 49557 bei der römischen Filiale des Credito Cooperativo Artigiano zwei Überweisungen zu tätigen. 20 Millionen Euro sollten nach Frankfurt an JP Morgan gehen zum Kauf von Bundesanleihen. Weitere drei Millionen Euro an eine Filiale der Banca del Fucino in Rom. Die Vatikanbank sei aber der Aufforderung nicht nachgekommen, darüber Auskunft zu geben, für wen sie die Geldtransaktionen ausführen will und zu welchem Zweck.

Wie alle anderen Geldinstitute hatte auch die kleine Handwerker-Genossenschaftsbank im vergangenen Januar ein Schreiben der römischen Zentralbank erhalten. Darin hatte es geheißen, dass künftig in der Zusammenarbeit mit der zum Vatikan gehörenden und daher außereuropäischen IOR "die Pflichten verstärkter Kontrolle" zu beachten seien.

Aus dem IOR-Turm im Vatikanstaat kam keine Reaktion. Schließlich signalisierte die Genossenschaftsbank die Überweisungsaufträge der Aufsicht. Tage später wurden die Gelder als Vorsichtsmaßnahme beschlagnahmt. Die Ermittlungen stehen erst am Anfang.

Gotti Tedeschi weist alle Verdächtigungen zurück: "Es handelt sich um ganz normale Bankoperationen, um Überweisungen von einem IOR-Konto auf ein anderes", sagte er verblüfft. Bei einer gründlichen Durchsicht der Unterlagen sei alles geklärt worden, versichert er. Nur auf eines weiß er keine Antwort: "Im Dunkeln bleibt, warum es zwischen der Zentralbank und uns keine zufriedenstellende Kommunikation gibt", räumt er ein.

Aufräumer unter Verdacht

Genau das ist jedoch der springende Punkt. Weil es dem Heiligen Stuhl an den Finanzmärkten an Glaubwürdigkeit fehlte, hatte Josef Ratzinger am 23. September 2009 Gotti Tedeschi als Nachfolger von Angelo Caloia an die IOR-Spitze berufen. Im Sommer zuvor hatten Enthüllungen über krumme Geschäfte der Bank ein Beben im kleinsten Staat der Welt ausgelöst.

Gestützt auf das Geheimarchiv eines verstorbenen Monsignore hatte der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi in dem späteren Bestseller "Vatikan AG" das anstößige Gebaren der IOR und deren Verwicklung in Schmiergeld- und Finanzaffären aufgedeckt. So lautete der päpstliche Auftrag an Gotti Tedeschi, Transparenz in die kirchlichen Geldgeschäfte zu bringen und den Ruf der Vatikanbank zu verbessern.

Doch Gotti Tedeschi stieß offenbar auf einige Hürden. Bislang operierten die vatikanischen Banker hinter einer Mauer absoluter Diskretion, bis vor Kurzem sogar in einem steuer- und rechtsfreien Raum, von Kapitalausfuhr- und Devisenbestimmungen unbehelligt. Das machte die Bank über Jahrzehnte zum privilegierten Umschlagplatz für Schmiergeldmillionen und Mafiagelder.

"Ich versuche seit zehn Monaten, die Probleme zu lösen, die ich beim IOR vorgefunden habe", erklärte Gotti Tedeschi. Die Bank sei dabei, alle internen Prozeduren umzustellen, um sie den internationalen Transparenz-Standards anzupassen und auf die "weiße Liste" der OECD zu kommen. "Das ist meine Priorität", sagte er.

© SZ vom 23.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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