US-Notenbank-Chef Bernanke:Lehren der Geschichte

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Die Amtszeit von US-Notenbank-Chef Ben Bernanke endet am 31. Januar 2010. Bekommt er eine zweite? Bevor das entschieden wird, muss er vor dem Kongress Rede und Antwort stehen.

Nikolaus Piper

Journalisten müssen manchmal dumm fragen, um gute Antworten zu bekommen. "Wie bewerten Sie die Arbeit von Ben Bernanke und wollen Sie, dass er bleibt, wenn seine Amtszeit im Januar endet?" wollte Reuters-Reporter Jeff Mason von Präsident Barack Obama am Dienstag auf der Pressekonferenz im Weißen Haus wissen.

Wie hat der Chef Ben Bernanke der US-Notenbank gearbeitet? Die Meinungen darüber gehen auseinander. (Foto: Foto: AFP)

Es war klar, dass Obama weder mit "Ja" noch mit "Nein" antworten konnte. Die Art und Weise allerdings, wie der Präsident der Frage auswich, war dann doch für alle ziemlich erhellend.

Er werde heute keine Nachrichten über den Notenbank-Chef produzieren, sagte Obama unter allgemeinem Gelächter, nur um dann hinzuzufügen: "Auch wenn ich denke, dass er einen guten Job unter schwierigen Umständen gemacht hat".

Anschließend ging er sogar noch ins Detail: "Ich denke, dass die Fed im Vorfeld der Krise vermutlich besser gearbeitet hat als andere Regulierungsbehörden (in den USA), dass sie (die Mitarbeiter der Fed) aber auch die Ersten sein werden, die einräumen, dass sie im Umgang mit systemischen Risiken und der Antizipation von systemischen Risiken nicht alles Notwendige getan haben."

Bescheidenes Programm - ursprünglich

Damit umschrieb der Präsident ziemlich präzise den politisch-ökonomischen Hintergrund, vor dem er demnächst wird entscheiden müssen: Am 31. Januar endet die vierjährige Amtszeit von Fed-Chef Bernanke. Wird er eine zweite Amtszeit bekommen oder steht ein Wechsel bei der Notenbank an?

Laut Gesetz steht es dem Präsidenten selbst zu, einen Kandidaten zu benennen, der anschließend allerdings vom Senat bestätigt werden muss. Die Spekulationen über Obamas Absichten haben jetzt jedenfalls begonnen. Dabei geht es zunächst einmal darum, wie die ersten vier Bernanke-Jahre zu bewerten sind.

Der heute 55-jährige einstige Princeton-Professor trat im Februar 2006 als Nachfolger von Alan Greenspan mit einem vergleichsweise bescheidenen Programm an: Er wollte die Politik der Notenbank transparenter und verständlicher machen. Dann jedoch holte ihn die Realität ein und ihm wurde eine ganz andere Tagesordnung aufgezwungen: Er musste das Weltfinanzsystem vor der Kernschmelze bewahren. Bernanke stützte Banken, senkte die Zinsen auf praktisch null und druckte Geld. Die Bilanz der Fed blähte sich unter seiner Regie von 800 Milliarden auf über zwei Billionen Dollar auf.

Es ist unstrittig, dass die Fed mit ihrer Geldschwemme dazu beigetragen hat, dass der Absturz der Weltwirtschaft gestoppt wurde und ein Ende der Rezession in den Vereinigten Staaten absehbar ist. Aber die Bilanz ist nicht makellos.

Erstens hat Bernanke die aus heutiger Sicht verhängnisvolle Lockerungs-Politik seines Vorgängers Alan Greenspan in den Jahren 2002 und 2003 gestützt - das dürfte Obama gemeint haben, als er von Fehlern bei der "Antizipation systemischer Risiken" sprach.

Zweitens ist die Rolle umstritten, die Bernanke im vergangenen September spielte, als die Wall Street am Rande des Zusammenbruchs stand. Warum ließen er und der damalige Finanzminister Henry Paulson die Investmentbank Lehman Brothers untergehen?

Larry Summers steht bereit

Wie groß war der Druck, den sie auf den Chef der Bank of America, Kenneth Lewis, ausübten, die strauchelnde Investmentbank Merrill Lynch zu übernehmen? Bank of America leidet bis heute unter dieser Übernahme. Am Donnerstag muss Bernanke vor einem Kongressausschuss dazu aussagen.

Für eine Ablösung Bernankes gibt es ein starkes Argument: Ein Nachfolger stünde schon bereit. Es gilt als gesichert, dass der Wirtschaftsberater des Präsidenten, Larry Summers, den Job gerne hätte. Summers war bereits Wirtschaftsberater, Finanzminister und Präsident der Harvard-Universität - Chef der Notenbank wäre die Krönung seiner Karriere. Daneben wird auch noch Janet Yellen genannt, die Präsidentin der Federal Reserve Bank of San Francisco. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Fed.

Für eine zweite Amtszeit Bernankes spricht dagegen ganz einfach die Geschichte. Noch nie in den vergangenen dreißig Jahren hat ein Präsident während seiner ersten Amtsperiode den Fed-Chef ausgetauscht. Ronald Reagan hielt 1983 an dem Demokraten Paul Volcker fest, George H. W. Bush (Vater) und Bill Clinton arbeiteten mit dem Republikaner Alan Greenspan zusammen.

Der Grund für diese Kontinuität lässt sich in der alten amerikanischen Volksweisheit suchen, wonach man nicht mitten im Fluss die Pferde wechseln soll. Ein Wechsel in der Fed sorgt für Unsicherheit, was jeder Präsident gerne vermeiden möchte. Für Obama kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Das Staatsdefizit wird in diesem Jahr mit über 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts so hoch sein wie noch nie in Friedenszeiten.

Wenn es um die Finanzierung dieses Defizits geht, ist das Vertrauen in die Solidität der US-Politik entscheidend. Obama muss daher jeden Anschein vermeiden, er suche sich einen bequemen, ihm politisch nahestehenden Notenbankpräsidenten. Der Republikaner Bernanke ist aus dieser Sicht der richtige Mann.

Die große Unbekannte in der Rechnung ist die Wirtschaftsentwicklung. Geht die Rezession tatsächlich im Herbst zu Ende und stabilisieren sich die Finanzmärkte weiter, dürfte eine zweite Amtszeit Bernanke gesichert sein. Kommt es nochmals zu einem Einbruch, steht auch bei der Fed ein Wechsel an. Noch scheint das Pendel zugunsten von Bernanke auszuschlagen: Auf Intrade, einer Internet-Wettbörse, lagen die Wetten, dass er seinen Job behält, zuletzt bei 60 zu 40 Prozent. Nach der Pressekonferenz von Präsident Obama erhöhte sich der Wert leicht auf 65 Prozent.

© SZ vom 25.06.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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