Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte:Stirb langsam, Finanztransaktionsteuer

Lesezeit: 2 min

Es gab eine Zeit, da drängten Deutschland und andere EU-Staaten massiv auf eine Finanzsteuer. Doch das ist lange her. Jetzt scheint die europäische Umsatzsteuer auf Bankgeschäfte vom Tisch - sie steht schlicht nicht mehr auf der Tagesordnung der Minister.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Die europäische Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte dämmert einem langsamen Tod entgegen. Es sei "ausgeschlossen", dass die Steuer wie ursprünglich vorgesehen, Anfang 2014 in Kraft treten werde, sagte eine Sprecherin von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta am Dienstag der Süddeutschen Zeitung. Und selbst das Jahr 2014 sei "nur mit einer großen politischen Anstrengung" zu schaffen. Und genau danach sieht es nicht mehr aus.

Einerseits weil die Politiker, allen voran die deutschen, offensichtlich in eine Art steuerpolitischen Tiefschlaf verfallen sind. Und andererseits weil sich jetzt hochdotierte Juristen aus diversen Ländern um die Deutungshoheit der Auswirkungen der Steuer streiten. Wie aus den Unterlagen der litauischen Ratspräsidentschaft hervorgeht (Litauen führt die Geschäfte der Europäischen Union bis Ende 2013), steht die Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte schlicht nicht mehr auf der Tagesordnung der Ministertreffen.

Die nächste Gelegenheit, die zweifelsohne vorhandenen politischen Unstimmigkeiten unter den Ministern zu bereinigen, wäre deren Meeting an diesem Freitag in der litauischen Hauptstadt Vilnius gewesen. Aber weder auf dem Septembertreffen noch auf dem im Oktober soll darüber beraten werden. Damit steht ein Projekt vor dem Aus, das die Lasten bei der Bewältigung der Finanzkrise etwas gerechter verteilen sollte. Über die Steuer sollten Finanzinstitute zur Kasse gebeten und zugleich hochriskante Geschäfte wie der sekundenschnelle elektronische Handel mit Wertpapieren eingedämmt werden. Die Bundesregierung hatte immer betont, die Steuer einführen zu wollen. Die SPD hatte ihre Zustimmungen zu Euro-Rettungspaketen davon abhängig gemacht.

Die City of London lief Sturm gegen die Steuer

Aus der Kommission verlautete, die technischen Arbeiten an dem Gesetzestext seien weitgehend fertig. Nun seien die Länder gefragt, die die Steuer einführen wollten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Österreich, Portugal, Slowenien, Italien, Spanien, Estland und die Slowakei). Der Entwurf sieht eine breite Bemessungsgrundlage mit einem niedrigen Steuersatz für den Handel mit Aktien und Derivaten vor. Um Schlupflöcher für Steuerflüchtlinge zu schließen, sollen alle Geschäfte besteuert werden, an denen ein Partner mit Standort in einem der willigen Euro-Länder teilnimmt. Sie soll 30 Milliarden Euro jährlich in die Kassen spülen.

Gegen die Steuer lief bisher vor allem die City of London Sturm. Sie fürchtet Milliardenverluste und zugleich Nachteile mit internationalen Finanzplätzen wie Singapur oder der Wall Street in New York. An diesem Dienstag schlug sich der juristische Dienst des Europäischen Rates, also der Mitgliedsstaaten, auf die Seite der City. Das Standortprinzip sei nicht mit dem EU-Vertrag vereinbar und würde den Wettbewerb in der EU verzerren, schrieben Juristen in einem Gutachten.

EU-Steuerkommissar Semeta widersprach umgehend. "Wir lehnen die Einschätzung komplett ab", sagte seine Sprecherin. Seine Juristen aus der Kommission hätten den Sachverhalt ausführlich vorab untersucht. Und während die Juristen in Brüssel streiten, ließ die Bundesregierung freundlich ausrichten, dass sie sich weiter "für eine baldige Einführung" der Steuer einsetze, aber freilich erst die juristischen Bedenken geklärt haben möchte.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: