SZ-Serie Abgeltungsteuer:Aufmarsch zum Schlussverkauf

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Lebensversicherer preisen ihre Policen als abgeltungsteuerfrei an. Doch das ist kein Grund für einen Abschluss, sagen die Verbraucherschützer.

Thomas Öchsner

Es geht um ein Milliardengeschäft: Noch drei Monate, dann tritt die Abgeltungsteuer in Kraft. Wenn es nach den Wünschen der deutschen Versicherungswirtschaft geht, sollen in diesen drei Monaten möglichst viele Bundesbürger einen Vertrag für eine Lebensversicherung unterschreiben. "Jahresendspurt. Schlussverkaufs-Chance 2008. Abgeltungsteuer 2009" - mit solchen oder ähnlichen Slogans rufen die Versicherer derzeit ihre Vertreter auf, Policen unters Volk zu bringen.

Die Schlussverkäufe des Handels kennt man, jetzt wirbt auch die Finanzbranche mit einem Schlussverkauf - wegen der Abgeltungsteuer. (Foto: Foto: dpa)

Sie hoffen auf das große Geschäft, weil die neue 25-prozentige Pauschalsteuer auf Zinsen, Dividenden und Kursgewinne für die meisten Lebensversicherungen nicht gilt. Verbraucherschützer warnen dagegen davor, nur wegen möglicher Steuerersparnisse unüberlegt einen langfristigen Vorsorgevertrag abzuschließen.

Die wichtigsten Fakten im Überblick:

Kapitallebensversicherungen

Im Prinzip besteht eine solche Police aus zwei Verträgen. Teil eins ist der Risikoschutz: Stirbt der Versicherungsnehmer, erhalten die Nachkommen eine bestimmte Summe. Teil zwei ist der Sparvertrag. Der Kunde zahlt einen bestimmten Betrag regelmäßig ein und erhält am Ende der Laufzeit, zum Beispiel mit 65 oder 67 Jahren, die Summe heraus, die die Versicherung erwirtschaftet hat. Der steuerliche Vorteil liegt nun bei der Auszahlung, die in der Regel auf einen Schlag erfolgt. Wer nach 2004 einen Vertrag abgeschlossen hat, muss nur die Hälfte der Erträge versteuern, sofern die Police mindestens zwölf Jahre lang gelaufen ist und erst nach dem 60. Geburtstag ausgezahlt wird.

Wandern dann zum Beispiel 50.000 Euro an Erträgen aufs Konto, ist auf 25.000 Euro der persönliche Steuersatz fällig. Der maximale Steuersatz beläuft sich derzeit - inclusive Reichensteuer - auf 45 Prozent. Selbst ein Spitzenverdiener müsste also höchstens 22,50 Prozent zahlen.

Hinzu kommt: In der Ansparphase sind alle Erträge aus Zinsen, Dividenden und Kursgewinnen steuerfrei. Wegen dieser Steuerstundung bleibt mehr Geld übrig, das angelegt werden kann und sich mit zunehmender Laufzeit durch den Zinseszinseffekt vermehrt. Also doch schnell noch eine Kapitallebensversicherung abschließen? Nein, sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Nach Angaben der Versicherungsexpertin wird mehr als jeder zweite Vertrag vorzeitig gekündigt. Das aber bringe nicht nur hohe Verluste. "Es fällt auch noch der Versicherungsschutz weg", sagt Weidenbach. "Und wenn der Vertrag mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung verbunden ist, hat der Kunde womöglich Schwierigkeiten, einen neuen, bezahlbaren Versicherer zu finden, weil er älter und vielleicht auch kränker geworden ist."

Die Verbraucherschützerin hält außerdem die Renditen von Kapitallebensversicherungen für zu niedrig, auch weil Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten an den Erträgen zehren. Merten Larisch, Altersvorsorgeexperte der Verbraucherzentrale Bayern, warnt außerdem davor, den steuerlichen Vorteil überzubewerten: Da es bei der Auszahlung in der Regel um fünf- oder sechsstellige Summen gehe, werde im Jahr der Fälligkeit auch ein Durchschnittsverdiener zum Spitzenverdiener und sei damit von den 25 Prozent Abgeltungsteuer nur noch ein paar Prozentpunkte entfernt.

Anleger, die trotz solcher Nachteile an einer Kapitallebensversicherung interessiert sind, sollten einen leistungsstarken Versicherer wählen, rät Weidenbach. Bei der Suche helfen die Stiftung Warentest und die Verbraucherzentralen. Das Versicherungsanalysehaus Map-Report bewertet regelmäßig die Anbieter. Beim jüngsten Vergleich rangierten auf den Plätzen eins bis fünf: Debeka, Asstel, Huk-Coburg, DEVK a. G., und die Allianz Leben.

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Private Rentenversicherungen

Es gibt zwei Grundtypen: Bei der aufgeschobenen Rentenversicherung zahlt der Versicherte regelmäßig einen Beitrag ein. Das Geld wird gespart, in der Entnahmephase wird eine Rente ausgezahlt. Bei der sofort beginnenden Rentenversicherung überweist der Kunde dagegen eine Summe auf einen Schlag. Daraus zahlt der Versicherer eine Rente.

Bei beiden Varianten wird - anders als bei der Kapitallebensversicherung - keine Todesfallsumme ausgezahlt. Die Anbieter locken nun mit einem entscheidenden Steuervorteil: Bei der Auszahlung der monatlichen privaten Rente greift die Abgeltungsteuer nicht, es wird nur der sogenannte Ertragsanteil besteuert. Dieser liegt für einen 65-jährigen Rentenempfänger bei 18 Prozent. Bei einer Privatrente von monatlich 500 Euro (6000 Euro im Jahr) wären also 1080 Euro die Basis für die Berechnung der Steuer, die vom persönlichen Satz abhängt.

Trotzdem warnt Expertin Weidenbach vor einem voreiligen Abschluss, nicht nur weil sie - wie bei der Kapitallebensversicherung - die meisten Angebote für zu teuer, zu unflexibel und zu wenig ertragreich hält. Sie vergleicht private Rentenversicherungen mit einer "Wette auf ein langes Leben". Die Wette gewinnt die Versicherung aber fast immer.

Der Grund: Der Kunde macht nur ein gutes Geschäft, wenn er steinalt wird und mehr Geld an ihn zurückfließt, als er eingezahlt hat. Die Tarife sind aber so kalkuliert, dass das die wenigsten schaffen. Und davon profitieren die Versicherer, sie können das nicht ausgezahlte Kapital bei einem frühen Tod einstecken, sofern nicht für die Hinterbliebenen für eine bestimmte Zeit eine Weiterzahlung der Privatrente vereinbart wurde. Wer in jungen Jahren trotzdem auf eine private Rentenversicherung setzen will, sollte sich zumindest nicht jetzt schon auf eine Verrentung in der Auszahlungsphase festlegen, rät Experte Larisch.

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Fondsgebundene Versicherungen

Hier fließt das Geld der Kunden in einen oder mehrere Investmentfonds . Das Risiko wird auf die Versicherten verlagert. Läuft der oder laufen die Fonds gut, kann der Anleger eine überdurchschnittlich hohe Wertentwicklung erzielen. Im umgekehrten Fall schmilzt das Polster für den sorgenfreien Ruhestand. Konkurrent der Fondspolicen sind die reinen Fondssparverträge. Anders als die Fondspolicen unterliegen sie voll der Abgeltungsteuer. Trotzdem werfen die steuerbegünstigten Fondspolicen nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Bremen in vielen Fällen weniger ab als die Sparpläne, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten, die an den Erträgen zehren.

Für die Versicherungsexpertin Weidenbach gibt es jedenfalls keinen Grund, in den nächsten drei Monaten überstürzt einen Vertrag zu unterschreiben. Die steuerlichen Vorteile der Lebensversicherungen gelten im nächsten Jahr sowieso weiter.

© SZ vom 27.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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