Studium und Steuern:Schnell noch Taxifahrer werden

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Studenten können Studienkosten künftig nur noch von der Steuer absetzen, wenn sie vorher eine Ausbildung gemacht haben. (Foto: dpa)

Ungleichbehandlung durch den Fiskus: Nur wer vorher eine Ausbildung gemacht hat, darf künftig die Kosten für sein Studium absetzen. Das hat der Bundesfinanzhof entschieden. Kluge Studenten kommen mit legalen Tricks dennoch an den Steuervorteil.

Von Berrit Gräber

Verkehrte Steuerwelt: Wer von der Schulbank nahtlos an die Uni geht, bleibt in der Regel voll auf seiner Investition in die erste Berufsausbildung sitzen. Ein Zweitstudium oder ein dualer Studiengang lassen sich dagegen steuerlich unbegrenzt absetzen. Den einen hilft der Fiskus, die anderen lässt er im Regen stehen. Diese Ungleichbehandlung hat der Bundesfinanzhof (BFH) in München mit seinem jüngsten Urteil wieder für verfassungskonform erklärt (Az.: BFH VIII R 22/12). Damit ist der umstrittene Status quo erneut zementiert. Doch es gibt Schlupflöcher, sagt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) in Berlin.

Mit ganz legalen Tricks kommen kluge Studenten doch an den Steuervorteil. Und das geht so: Wer nach seinem Abitur nicht direkt zur Uni geht, sondern zuerst eine Ausbildung macht, kann danach einige Tausend Euro fürs Hochschulstudium oder für die kostenpflichtige Ausbildung steuerlich absetzen. Aber niemand muss dafür eine jahrelange Lehre machen. Der Fiskus akzeptiert neuerdings auch eine kurze Schulung zum Taxifahrer, Rettungssanitäter, Zug- oder Flugbegleiter als Erstausbildung. Möglich ist, innerhalb des freiwilligen sozialen Jahres eine Schulung zum Sanitäter zu machen oder während des freiwilligen Wehrdienstes einen Lkw-Führerschein. Wichtig ist, dass die erste Ausbildung nach einem festen Plan abläuft, wie Markus Deutsch, Steuerberater und Sprecher des NVL betont. Dann wird sie vom Finanzamt anerkannt. Es spielt dabei keine Rolle, was danach studiert wird.

Ein paar Wochen Büffeln mit Abschlussprüfung oder Zertifikat können also schon genügen, um den Steuervorteil zu erhalten. Den Weg dafür haben die obersten Finanzrichter am BFH erst vor einem Jahr in einem bemerkenswerten Urteil frei gemacht (VI R 6/12). In diesem Fall hatten sie die sechsmonatige Schulung zur Stewardess als abgeschlossene Erstausbildung anerkannt. Die Klägerin, eine angehende Pilotin, wollte die Kosten für ihre zweite Ausbildung von knapp 19.000 Euro pro Jahr als vorweggenommene Werbungskosten anerkannt bekommen. Das darf sie jetzt.

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Das Urteil habe die Chance eröffnet, auf vergleichsweise schnellen Umwegen doch noch ans Ziel zu kommen, erläutert Rauhöft. Ein Beispiel: Wer sich dazu entschließt, die Kurzausbildung als Taxifahrer zu machen, muss in München gut 350 Euro investieren, bis zu sechs Wochen lang büffeln, eventuell Kursabende belegen und die Prüfung machen. Wer sich nicht ganz so reinhängt, kann den Taxischein auch über vier bis sechs Monate strecken. In Berlin gibt es einen Lehrgang für 1260 Euro, der schneller zum Ziel führen soll. Wichtige Hürde: Der Bewerber muss mindestens 21 Jahre alt sein.

Eine Alternative: sich zum Rettungssanitäter ausbilden lassen. Das ist schon ab 18 Jahren möglich. Beim Malteser-Hilfsdienst umfasst die Ausbildung beispielsweise 520 Stunden und dauert in Vollzeit etwa 16 Wochen. Die Kosten liegen bei 1250 Euro. Wer sich zur Stewardess oder zum Steward trainieren lassen will, kann sich auch ab 18 Jahren bewerben. Angehende Flugbegleiter zahlen oft einen Eigenanteil von 300 Euro für ihre Garderobe. Während der oft nur dreimonatigen Ausbildung kriegen sie aber eine Aufwandsentschädigung, meist um die 380 Euro pro Monat.

Das steuerliche Belohnungssystem für die Zweitausbildung ist zwar etwas kompliziert, aber verlockend: Haben Studierende hohe Ausgaben, aber keine eigenen Einnahmen, bescheinigt das Finanzamt einen Verlust. Dieser wird als Gutschrift in die Zukunft mitgenommen. Das steuerliche Minus wird erst eingelöst, wenn der Berufsanfänger eigenes Geld verdient. Auf sein Gehalt der ersten Berufsjahre muss er dann weniger Einkommensteuer zahlen.

"Ist das Erststudium kostspielig wie bei Medizinern, gehen Studenten an Privat-Unis oder legen sie Auslandssemester ein, kann es sinnvoll sein, das Schlupfloch zu nutzen, sonst eher nicht", betont Isabell Klocke, Steuerexpertin beim Bund der Steuerzahler in Berlin. Steuerlich lohnenswert könne der Umweg auch für Absolventen kostenpflichtiger Ausbildungsgänge sein, etwa für Piloten, Heilpraktiker, Physiotherapeuten, Erzieher, Dolmetscher oder Sekretärinnen. Haben Studenten keine hohen Kosten, lohne sich der Aufwand steuerlich eher nicht, sagt Klocke.

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Bis sich der Steuervorteil auswirken kann, müssen Studenten Belege sammeln und jährlich Steuererklärungen machen. Bei der Steuererklärung gehört auf der ersten Seite des Mantelbogens die "Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags" angekreuzt. Dann heißt es, die Ausgaben aufzulisten. Dazu zählt so gut wie alles, was für die Ausbildung anfällt: Studiengebühren, Kosten für Lehrgänge, Tagungen, Vorträge, Repetitorien, Nachhilfe oder Bibliotheken. Angehende Architekten oder Zahnärzte können auch Arbeitsmaterialien absetzen.

Wer einen Bildungskredit aufnehmen musste, sollte die Kosten ebenfalls angeben. Gleiches gilt für Anwalts- und Prozesskosten beim Einklagen einer Studienzulassung. Absetzbar sind außerdem die Ausgaben für das Arbeitszimmer, also den Schreibtisch, das Bücherregal, den Drehstuhl, die Aktentasche sowie für Schreibutensilien, Büroklammern und Fotokopien. Solche Kosten zählen voll. Teure Anschaffungen werden abgeschrieben, Computer beispielsweise über 36 Monate.

Für das Arbeitszimmer, das zum Lernen gebraucht wird, können bis zu 1250 Euro im Jahr geltend gemacht werden. Zu den Werbungskosten zählen außerdem Fahrten zur Uni oder Fachhochschule wie zu privaten Lern- und Arbeitsgemeinschaften. Sie können mit 30 Cent pro Entfernungskilometer abgerechnet werden. Aufgelistet gehören zudem Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, Verpflegungsmehraufwendungen sowie Studienreisen. Eventuell gilt auch eine doppelte Haushaltsführung. Dazu müssen die Studierenden an ihrem Lebensmittelpunkt einen eigenen Haushalt führen: Also etwa ein Zimmer in der WG haben oder im Studentenwohnheim plus ein eigenes kleines Reich mit Kochnische und Bad bei den Eltern daheim. Wer zwar in einer WG lebt, bei den Eltern aber nur ein Zimmer hat, kann den Posten nicht absetzen.

Auch für "alte Hasen" in Zweitausbildung ist es häufig noch nicht zu spät: Wer schon länger lernt, sein Erststudium gar schon hinter sich und noch keine Steuererklärung gemacht hat, kann noch bis zu vier Jahre rückwirkend einen Antrag auf Verlustfeststellung stellen, für jedes Ausbildungsjahr einen, wie Klocke erläutert.

Am BFH sind noch weitere Klagen in dieser Sache anhängig, darunter eine des Bundes der Steuerzahler. Fachleute rechnen damit, dass irgendwann das Bundesverfassungsgericht über die steuerliche Ungleichbehandlung von Studenten entscheiden muss. Bis dahin müssen die sich trickreich behelfen. Sonst gilt: Die Aufwendungen fürs erste Studium sind nur als Sonderausgaben bis 6000 Euro im Jahr absetzbar. Davon haben Studierende meist nichts, weil sie kein Einkommen haben.

© SZ vom 10.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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