Steuerhinterziehung:Gleicher als andere

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Die Geschichte der Steuerhinterziehung zeigt: Motive waren die Angst vor Krieg, Pleite oder Ehefrau. Daran ändert auch die Abgeltungsteuer nichts.

Hans Leyendecker

Die Menschheit lässt sich, der Übersichtlichkeit wegen, in Bücher- und Zahlenmenschen einteilen. Aber Vertreter beider Gattungen fielen (und fallen) auch als notorische Steuerhinterzieher auf. Schriftsteller, Regisseure, Bankvorstände und sogar Finanzbeamte kamen mit dem Gesetz in Konflikt, weil sie dem Fiskus nicht geben wollten, was des Fiskus ist. "Steuern zahlen die Ehrlichen und die Dummen und diejenigen, die keine Lobby" haben, stellte in den neunziger Jahren der damalige Kölner Rechtsprofessor Joachim Lang fest.

"Steuern zahlen die Ehrlichen und die Dummen und diejenigen, die keine Lobby" haben, sagt der Rechtsprofessor Joachim Lang. (Foto: Foto: ddp)

Aber ist der Ehrliche wirklich der Dumme? Ein Streifzug durch die Welt der Steuersünder lässt ahnen, dass auch die Abgeltungssteuer längst nicht alle Probleme des Staates bei der Eintreibung der Abgaben lösen wird. Die frühere Liechtenstein-Ermittlerin Margrit Lichtinghagen, die bei der Essener Steuerfahndung und der Oberfinanzdirektion Düsseldorf ihre Karriere begann, hat in einem Interview für WDR 5 mal "die dubiosesten Antworten" reicher Steuersünder wiedergegeben: "Ja, ich war in diese Sache einmal involviert und kam da nicht mehr raus". Oder: "Ich habe das immer beiseite geschoben".

Für den, der "sehr viel Geld besitzt, schon auf der Sonnenseite lebt" und dennoch Steuern hinterzieht, könne sie, so die ehemalige Bochumer Staatsanwältin und künftige Essener Einzelrichterin, kein "menschliches Verständnis aufbringen".

Von Geiz und Gier

Hatte es der mehrfache Milliardär Friedrich Karl Flick wirklich nötig, in Liechtenstein Stiftungen zu etablieren, von denen der Fiskus nichts wusste? Wie konnte Peter Graf, der Vater der Tennisspielerin Steffi Graf glauben, mit einem sehr auffälligen Steuersparmodell nicht aufzufallen? Sollte Steffi gleicher als andere sein? Dem Bild des raffgierigen Steuersünders entsprach womöglich der frühere Industrielle Jürgen Hippenstiel-Imhausen, der erst nach Libyen eine Giftgasfabrik lieferte und dann in Vaduz Millionen Euro in einer ominösen "Per-Alt-Anstalt" verschwinden ließ. Dass Ex-Diktatoren wie Ferdinand Marcos (Philippinen) oder Manuel Noriega (Panama) sich Tarnfirmen in Liechtenstein bedienten, um ihr geraubtes Geld zu verstecken, konnte nicht überraschen.

Steuerflüchtlinge geben unterschiedliche Motive für ihr Handeln an: Die Alten versteckten Geld für den Kriegsfall. Die Jungen deponierten heimlich Gelder für den Fall der Insolvenz. Andere wollten vor der Ehefrau, der Geliebten oder der Verwandtschaft ihren Reichtum verbergen - Geiz und Gier sind häufig die Triebfedern. Der Textil-Industrielle Alfons Müller-Wipperfürth, Jahrgang 1911, eine legendäre Figur der sechziger und siebziger Jahre, entsprach dem Bild des kauzigen Geizhalses. Der Kaufmann, der Fabriken in Europa hatte, empfand es als unerhört, dass der deutsche Fiskus von ihm Millionen forderte.

Als der nach Lugano übergewechselte Hosenschneider mal wieder mit seiner Privatmaschine Deutschland überflog, stürzte das Flugzeug über der Eifel ab. Der schwerverletzte Müller-Wipperfürth kam in Untersuchungshaft, zahlte eine Kaution in Höhe von umgerechnet 500.000 Euro, überwies sechseinhalb Millionen Euro Steuern und legte sich voller Zorn über die Begehrlichkeiten des deutschen Fiskus einen kubanischen Pass zu. 1981 wurde gegen ihn das letzte Steuerstrafverfahren eingestellt. Ein Jahr später machte er seinen Laden zu. 1986 starb er im österreichischen Bad Gastein. Ein Leben im Kampf mit der Steuer.

Lesen Sie im zweiten Teil, welche Rolle der Staat selbst bei den Steuer-Problemen spielt - und warum Steuerhinterziehung nicht unbedingt eine Straftat sein muss.

Und seine Sicht war nicht neu gewesen: Die Begehrlichkeiten des Fiskus seien "ein erlaubter Raub", schrieb der heilige Thomas von Aquin schon im 13. Jahrhundert. Erlaubt, aber eben doch ein Raub. Der eigentliche Steuerskandal, hat der Liberale und Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms in der Neuen Zürcher Zeitung behauptet, sei der Staat, der die Einhaltung eines Regelwerks verlange, das für "den Bürger völlig unverständlich ist, ihm gerade wegen der Vielzahl der Sonderregelungen ungerecht erscheint, ihn zu hoch belastet und deshalb ein diffuses Gefühl mangelnder Fairness" beschere.

Aber was sollen die Millionen Lohnsteuerzahler sagen, die nichts zu verbergen haben und für die es keine steuerlichen Ausnahmeregelungen gibt? Heuchelei ist bei diesem Gegenstand weit verbreitet. Staatstragende bürgerliche Parteien wie die CDU, die CSU und auch die FDP unterhielten einst im Ausland vorgeblich gemeinnützige Einrichtungen, mit deren Hilfe die deutsche Steuerverwaltung hereingelegt wurde.

Unternehmen überwiesen Millionen Euro an diese Etablissements und konnten das Geld, das am Ende illegal in den Kassen der Parteien landete, als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen.

Und als die Steuerhinterzieher und ihre parteilichen Helfer Anfang der achtziger Jahre von Staatsanwälten erwischt wurden, versuchten Politiker den Putsch von oben - die Amnestie, die dann doch noch verhindert werden konnte.

Dass auch der dreimalige Europameister der Springreiter, Paul Schockemöhle, in Liechtenstein ein Geldversteck hatte, war zumindest für einige Interessierte irritierend. Sein Steuerstrafverfahren wegen Hinterziehung in Millionenhöhe endete in den neunziger Jahren mit einem Strafbefehl. Schockemöhle ist ein erfolgreicher Unternehmer. Durch Fleiß und Einfallsreichtum hat er es zu etwas gebracht und eigentlich hat so einer das Versteck in Liechtenstein nicht nötig.

Ehrbare Kaufleute

Der deutsche Ökonom Werner Sombart hat vor knapp neunzig Jahren das Bild vom ehrbaren Kaufmann gezeichnet: Genügsamkeit, Fleiß, Demut, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit gehörten zu dem Tugendkatalog. Der ehrbare Kaufmann dürfe seinen eigenen Vorteil verfolgen, aber nicht andere betrügen, so Sombart. Das Problem: Steuerhinterziehung wird von vielen Tätern nicht als Betrug gesehen. In Deutschland ist Hinterziehung eine Straftat, während sie in Liechtenstein und der Schweiz, die daran verdienten, nur Verwaltungsunrecht sind.

Ob einer zehntausend oder zehn Millionen Euro Steuern hinterzieht, macht rechtsdogmatisch keinen Unterschied, aber dem Empfinden nach schon. Es gibt aber auch Steuerflüchtlinge, deren Handlungen sehr schwer nachvollziehbar sind. Da ist Hartwig Zumwinkel, der Bruder des früheren Postchefs Klaus Zumwinkel, dem im Januar in Bochum der Prozess gemacht werden soll. Beide Brüder hatten früh ein großes Erbe gemacht und getrennt 1986 viele Millionen Mark in Liechtenstein in Stiftungen versteckt. Dem deutschen Fiskus hatten sie dies verschwiegen. All die Zeit trat Hartwig Zumwinkel in seiner Heimat am Niederrhein als Wohltäter auf, der etwa Projekte arbeitsloser Jugendlicher förderte. Er war anständig und unanständig zugleich.

© SZ vom 27.12.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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