Steuerhilfe für Hotels:Ausnahmen für Altrocker und Dauercamper

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Trotz aller Kritik: Die Koalition wird im Bundestag die Entlastung für Hoteliers durchwinken. Sieben Gründe, die dagegen sprechen.

C. Hulverscheidt und G. Bohsem

Der Bundestag will an diesem Freitag die geplante Mehrwertsteuersenkung für Hotels beschließen - obwohl die gesamte Fachwelt und auch die Finanzpolitiker der Koalition das Vorhaben förmlich zerrissen haben. Die SZ dokumentiert die sieben häufigsten Argumente, die gegen die Ermäßigung von 19 auf sieben Prozent vorgebracht werden.

Der Bundestag will die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Hotels beschließen - obwohl die Fachwelt das Vorhaben zerrissen hat. (Foto: Foto: AP)

Grund 1: Der Schritt kostet den Staat pro Jahr mindestens eine Milliarde Euro, ...

... die ihm an anderer Stelle fehlen.

Grund 2: Das Umsatzsteuerrecht wird weiter verkompliziert.

Statt die teils grotesken Gesetzesbestimmungen im Zuge einer grundlegenden Reform endlich zu überarbeiten, wird eine neue hanebüchene Ausnahmeregelung hinzugefügt.

Auf der nächsten Seite: Im Restaurant essen oder mitnehmen? Der Frage, wo der Cheeseburger verzehrt wird, kommt zukünftig eine besondere Bedeutung zu.

Grund 3: Die Ursprungsidee wurde pervertiert.

Imbissbude in Hannover: Wird der Döner vor Ort gegessen, gilt der normale Mehrwertsteuersatz. (Foto: Foto: ddp)

Eigentlich nämlich wollten Union und FDP einen Teil der Abgrenzungsprobleme bei der Besteuerung von Speisen beseitigen.

Wird etwa ein Cheeseburger im Restaurant verzehrt, gilt der normale Mehrwertsteuersatz, wird er mitgenommen, gilt der ermäßigte. Hört sich einfach an, beschäftigt aber seit Jahren die Gerichte. So wurde bei Imbissbuden schon einmal höchstrichterlich der Alu-Folien-Verbrauch ermittelt, um zu klären, ob die Speisen auch tatsächlich verpackt und woanders gegessen wurden.

Beispielhaft ist auch das Urteil über Imbissbuden, "die auf geschlossenen Baustellen mit zum Teil beengten räumlichen Verhältnissen und daher überwiegend ohne die Bereitstellung von Tischen und Stühlen" betrieben werden.

Hier urteilten die Richter, dass 60 Prozent der Speisen an Ort und Stelle verzehrt und 40 Prozent mitgenommen werden. Entsprechend muss besteuert werden. All das sollte aufhören - bis sich herausstellte, dass die Vereinfachung drei Milliarden Euro kosten würde. Um dem Hotel- und Gaststättenverband dennoch etwas Gutes zu tun, sollen jetzt statt der Speisen Übernachtungen begünstigt werden.

Auf der nächsten Seite: 99 Euro für die Übernachtung und einen Euro für das Frühstück - solche Angebote würden sich zukünftig rechnen.

Grund 4: Der Steuergestaltung wird Tür und Tor geöffnet.

Weil für die Übernachtung und das Frühstück künftig unterschiedliche Steuersätze gelten sollen, muss beides auf der Rechnung getrennt ausgewiesen werden.

Um die Gäste nicht zu verärgern, könnten die Hotels zunächst versuchen, sehr hohe Übernachtungs- und sehr niedrige Frühstückspreise auszuweisen - also etwa 99 Euro für das Zimmer und einen Euro für Brötchen und Kaffee.

Das dürfte bald das Bundesfinanzministerium (BMF) auf den Plan rufen, das realitätsgerechte Preise verlangen wird und eines seiner berüchtigten "BMF-Schreiben" verschicken wird. Thema: "verdeckte Frühstücke".

Auf der nächsten Seite: Für Unternehmen könnten Geschäftsreisen sogar teurer werden.

Grund 5: Geschäftsreisen werden teurer ...

... wenn die Hoteliers den Steuernachlass nicht an die Kunden weitergeben.

Bisher konnte sich ein Unternehmen, dessen Mitarbeiter dienstlich für 119 Euro übernachtete, vom Finanzamt 19 Euro als sogenannte Vorsteuer zurückholen. Bleibt nun der Bruttozimmerpreis unverändert, obwohl der Mehrwertsteuersatz auf sieben Prozent sinkt, erstattet das Finanzamt dem Betrieb statt 19 nur noch 7,79 Euro.

Für das Unternehmen steigen die Kosten also von 100 auf 111,21 Euro.

Auf der nächsten Seite: Auch dem Arbeitnehmer drohen Mehrkosten. Altrocker werden hingegen geschont.

Grund 6: Auch dem Arbeitnehmer drohen Mehrkosten.

Bisher konnten Unternehmen ihren dienstreisenden Beschäftigten die Hotelkosten beinahe komplett steuerfrei erstatten.

Für das Frühstück wurde lediglich eine Pauschale von 4,80 Euro abgezogen. Künftig werden nur noch die Auslagen für die Übernachtung steuerfrei beglichen.

Jedes Frühstück über 4,80 Euro muss hingegen entweder vom Arbeitnehmer aus versteuertem Arbeitslohn selbst bezahlt, oder aber - falls der Arbeitgeber die Mehrkosten übernimmt - als geldwerter Vorteil versteuert werden. Sogar Beiträge zu den Sozialversicherungen werden fällig.

Grund 7: Gast ist nicht gleich Gast.

Normale Touristen zahlen künftig sieben Prozent Steuer. Langzeithotelbewohner und Dauercamper bleiben dagegen ungeschoren, weil sie als Mieter gelten.

Udo Lindenberg kann also weiter mehrwertsteuerfrei im Hamburger Atlantic logieren.

© SZ vom 04.12.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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