Sozialer Wohnungsbau:Häuser oder Menschen

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Viele Menschen können sich die Mieten in den Städten nicht mehr leisten. Soll man daher den Bau von günstigen Wohnungen fördern? Oder das Geld direkt an die bedürftigen Haushalte zahlen? Darüber haben Experten auf einer Tagung in Nürnberg gestritten.

Von Andreas Remien

Irgendwann gegen Ende der Diskussion sinkt Friedrich Breyer in seinen Stuhl. "Ich verstehe sie nicht", sagt der Professor für Volkswirtschaftslehre auf einer Tagung in Nürnberg etwas ratlos zu den Vertretern der Wohnungsgenossenschaften. Ganz überraschend ist das nicht, denn die Konstellation der Podiumsdiskussion hatte von vornherein Unverständnis-Potenzial: Auf der einen Seite der Volkswirt, der den sozialen Wohnungsbau abschaffen will, auf der anderen Seite jene sozial orientierten Unternehmen, die ihn betreiben.

Über die Frage, wie der Staat Haushalten mit niedrigen Einkommen zu einer bezahlbaren Bleibe verhelfen kann, wurde immer schon gestritten. Im Kern geht es darum, ob der Bau von Wohnungen gefördert wird - oder ob das Geld besser direkt an die Menschen fließt, damit sich diese auf freien Märkten die Miete leisten können. In Deutschland gibt es mit der Objektförderung und dem Wohngeld ein kombiniertes Modell, allerdings ist die Wohnraumförderung Ländersache.

Im August hatte der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums unter Breyers Federführung in einem umstrittenen Gutachten den sozialen Wohnungsbau erneut ins Visier genommen. "Das Wohngeld reicht alleine", sagt Breyer. Allerdings müsse es deutlich angehoben und gestärkt werden. "Das Wohngeld ist zielgenau", betont Breyer. Es bemesse sich nach der Bedürftigkeit der Menschen. Anders sei dies bei geförderten Wohnungen, "wo das Einkommen meist nur beim Einzug geprüft wird". Wer dann später einen besseren Job bekommt und mehr verdient, kann dennoch weiterhin in der günstigen Wohnung bleiben. "Die Fehlbelegung ist ein großes Problem", betont Breyer. Beim Wohngeld dagegen bekämen nur Menschen Hilfe, die sie tatsächlich bräuchten.

Wäre es also besser, auf den sozialen Wohnungsbau verzichten? Für Hans Maier, Direktor des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen, ist das ein groteskes Szenario. "Dann hätten wir in Städten wie München nur noch Mieten um die 25 Euro." Der Staat könne mit Zuschüssen solch hohe Mieten nicht auffangen. "Das wäre viel zu teuer", sagt Maier. Viele Punkte des Gutachtens hält der Verband für schlecht recherchiert und methodisch fragwürdig, etwa die Ermittlung der Fehlbelegungsquote. Zumindest in Bayern treffe es beispielsweise nicht zu, dass nur beim Einzug das Einkommen überprüft werde. Von einer Ghettoisierung könne schon allein deshalb nicht gesprochen werden, weil sehr viele Haushalte Anspruch auf eine geförderte Wohnung hätten. "Das Wohnungsproblem ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen", sagt Maier.

Anders als in den Sechzigerjahren haben Wohnungsunternehmen heute außerdem die Quartiersentwicklung im Blick. Wie leben Menschen aus unterschiedlichen Einkommenssichten am besten zusammen? Was macht ein gutes Quartier aus? Wie kann man Nachbarschaften stärken? Was macht eine lebenswerte Stadt aus? "In der Wohnungspolitik geht es um die Frage, wie wir leben wollen", sagt Maier. Solche sozialen Fragen spielen in der ökonomischen Analyse des Wissenschaftlichen Beirats keine Rolle. Das wiederum können die Vertreter der sozial orientierten Unternehmer und Genossenschaften nicht verstehen.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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