Senioren:Platz machen für Familien

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Der Ehepartner ist verstorben, die Kinder sind längst weggezogen, viele Zimmer in großen Häusern oder Wohungen werden nicht mehr benutzt. Aber soll man ältere Menschen dazu bewegen, in kleinere Unterkünfte zu ziehen?

Von Burkhard Fraune / dpa

Mehr als ihr halbes Leben lang wohnt die 76-Jährige zur Miete in ihrer Fünfzimmerwohnung. Vor einem Jahr ist ihr Mann gestorben, die Kinder sind aus dem Haus. Seitdem sie allein ist, sind zwei der Zimmer verschlossen. Zimmer, die zu sind, muss sie nicht mehr putzen. Von solchen Beispielen berichten Seniorenvertreter. Und von jungen Familien, die händeringend eine größere Wohnung suchen. Sie leiden am meisten unter dem Wohnungsmangel. Denn: "Wer zieht um?", fragt GdW-Präsident Axel Gedaschko. Vor allem junge Menschen auf Jobsuche oder etwas ältere, die eine Familie gründen. "Je älter die Menschen werden, desto weniger ziehen sie normalerweise um." Wegen der steigenden Mieten verschärft sich ein altes Phänomen: "Weil die Bestandsmieten langsamer steigen als die Neuvertragsmieten, lohnt es sich für viele Leute nicht mehr, umzuziehen", sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. "Wer eine günstige Wohnung hat, gibt sie nicht mehr her."

Die Schweiz schreibt bei Genossenschaftswohnungen Mindest-Bewohnerzahlen vor

Läge es da nicht nahe, dass Senioren und junge Familien ihre Wohnungen einfach tauschen? Der Chef der Baugewerkschaft IG Bau, Robert Feiger, hat vor einer Weile 5000 Euro Umzugsprämie für Senioren vorgeschlagen. Er erntete Empörung: Es werde der Anschein erweckt, Senioren lebten in Wohnungen, die ihnen nicht zustünden. Dennoch waren einige Wohnungsunternehmen bereits vor Feigers Vorstoß in diese Richtung gegangen. Die städtischen Wohnungsunternehmen in Berlin etwa werben seit drei Jahren bei ihren Mietern dafür, sich zu verkleinern, wenn der Haushalt geschrumpft ist. Wer mindestens auf ein Zehntel seiner Wohnfläche verzichtet, soll danach nicht mehr bezahlen als vorher, wie David Eberhardt erklärt, Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen. Wer bedürftig sei, bekomme 1500 bis 2500 Euro als Umzugszuschuss.

Der Potsdamer Vermieter Gewoba lockt auch mit Umzugszuschüssen und reduzierter Miete. In Wien haben Mieter städtischer Wohnungen sogar Anspruch auf Wohnungstausch. Wer über 65 ist, kann nach dem Umzug in eine kleinere Wohnung mit einem Drittel weniger Miete rechnen. Und die Schweiz geht noch einen Schritt weiter: Bei zwei Drittel aller Genossenschaftswohnungen sind Mindest-Bewohnerzahlen vorgeschrieben. In der Regel gelte: Personenzahl gleich Zimmerzahl plus 1, heißt es beim Verband der Schweizer Wohnbaugenossenschaften.

In Berlin lassen sich durch Kampagnen nur wenige zum Umzug bewegen. "Die Fallzahlen dümpeln bei etwa 200 pro Jahr - bei 300 000 Wohnungen", sagt Verbandssprecher Eberhart. "Die Leute wollen nicht umziehen, sie sind gerne in ihren großen Wohnungen." Darauf verweist auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. Sie lehnt das Thema Wohnungstausch aber nicht rundweg ab. "Wenn das auf einer freiwilligen Basis passiert, spricht da ja nichts gegen", sagt Sprecherin Ursula Lenz. Zudem könne ein starker Anreiz sein, durch einen Umzug in eine seniorengerechte Wohnung nicht ins Heim zu müssen. Motivieren zum Umzug könne Senioren nur eins: persönliche Ansprache. Notwendig sei, dass jemand mit den alten Menschen gemeinsam die neue Wohnung besichtige, mit ihnen Vor- und Nachteile abwäge und auch zusammen den Umzug plane.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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