Schuldenkrise in Europa:Anleger fliehen aus italienischen Anleihen

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Die Angstmarke ist erreicht: Die Renditen für italienische Staatsanleihen steigen auf mehr als sieben Prozent - das ist genau das Niveau, bei dem andere kriselnde Euro-Länder Hilfspakete beantragen mussten. Jetzt befürchten Anleger das Schlimmste - auch die deutschen Aktien verlieren deutlich.

Die Lage am italienischen Anleihemarkt wird immer dramatischer. Am Mittwochmittag stieg die Rendite für richtungsweisende Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren erstmals seit der Euro-Einführung über die Marke von sieben Prozent. In der Spitze rentierten zehnjährige Papiere mit knapp siebeneinhalb Prozent.

Die Renditeschwelle von sieben Prozent gilt an den Finanzmärkten als kritisch. Bei diesen Renditeniveaus mussten zumindest die Euro-Länder Griechenland, Irland und Portugal gerettet werden, weil es kaum noch möglich ist, langfristig tragbar Kredite aufzunehmen. (Foto: AFP)

Allein seit Wochenbeginn ist die Rendite für zehnjährige italienische Papiere um circa einen Prozentpunkt gestiegen. Die Renditeschwelle von sieben Prozent gilt an den Finanzmärkten als kritisch. Bei diesen Renditeniveaus mussten die Euro-Länder Griechenland, Irland und Portugal gerettet werden, weil es kaum noch möglich ist, langfristig tragbar Kredite aufzunehmen. Ein Automatismus leitet sich daraus aber nicht ab.

EFSF zu klein

Auch der deutsche Aktienindex (Dax) leidet unter dieser Entwicklung. Zunächst hatte es am Morgen so ausgesehen, als sei die Börse erleichtert über den angekündigten Rückzug von Italiens Premierminister Silvio Berlusconi. Doch mittlerweile fiel der Dax um knapp zwei Prozent auf 5845 Punkte.

Für Italien-Hilfen gibt es derzeit nur problematische Möglichkeiten: den Euro-Rettungsschirm (EFSF), weitere Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) oder Euro-Bonds. Aber die Zeit läuft dem Land davon. Einen Zusammenbruch der drittgrößten Volkswirtschaft Europas, eines G-7-Landes, kann sich niemand leisten. Schon gar nicht Deutschland, für das das Land jenseits der Alpen ein riesiger Markt ist.

Für Italien ist der Euro-Rettungsschirm zu klein. Er kann maximal 440 Milliarden Euro vergeben. Durch die Kredite an Irland und Portugal plus demnächst Griechenland ist schon ein Teil davon weg. Hinzu kommen noch 50 Milliarden Euro für die Banken-Rekapitalisierung. Laut der fünf Wirtschaftsweisen bleiben dann noch etwa 250 Milliarden Euro übrig.

Italien muss aber jedes Jahr etwa 300 Milliarden Euro alter Schulden verlängern, selbst wenn es keine zusätzliche Neuverschuldung mehr hätte. Zwar ist der Hebel zur Vergrößerung der Finanzkraft des EFSF grundsätzlich beschlossen. Aber bislang ist noch völlig unklar, wie dies über eine Versicherungslösung gehen kann oder über zusätzliche Fonds, in die außereuropäische Länder oder der Internationale Währungsfonds (IWF) einzahlen könnten.

Die Versicherungslösung braucht noch Zeit, sie ist noch nicht fertig ausgearbeitet. Gegen direkte Hilfen des IWF sträuben sich die USA, Großbritannien und Kanada. Die Euro-Zone sei reich und solle ihre Probleme selber lösen, war sinngemäß die Antwort auf dem G-20-Gipfel in Cannes.

Wir würden ja helfen, aber nur, wenn wir dann mehr beim IWF zu sagen hätten, erklärten die großen Entwicklungsländer wie Brasilien, China oder Russland. Das wiederum fänden die Europäer und die USA nicht gut. Also hängt auch diese Hilfe in der Luft.

Nur die EZB kann helfen

Damit kann jetzt nur die Feuerwehr helfe, die EZB. Sie hat theoretisch die Möglichkeit, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, denn sie kann im Prinzip Geld aus dem Nichts schöpfen. Die USA und Großbritannien tun seit der Lehman-Krise nichts anderes.

Befürchtungen, dadurch würde die Inflation angeheizt werden, haben sich bislang nicht bestätigt. Die EZB hat bereits Anleihen gekauft. In der vergangenen Woche verdoppelte sie die Käufe auf 9,5 Milliarden Euro von 4 Milliarden. Damit liegt die Gesamtsumme nun bei 242,5 Milliarden Euro.

Allerdings geschieht dies gegen den Willen der Deutschen in der EZB, also gegen Bundesbankpräsident Jens Weidmann und seinen Vorgänger Axel Weber, der deshalb sogar zurückgetreten ist.

Auch der noch amtierende Chef-Volkswirt Jürgen Stark ist strikt dagegen. Er gibt deshalb sein Amt zum Jahresende auf und wird ersetzt durch den Berliner Staatssekretär Jörg Asmussen.

Der neue EZB-Präsident Mario Draghi, ein Italiener, hat bereits geholfen, indem er die Zinsen an seinem zweiten Arbeitstag in der vergangenen Woche um 0,25 Prozentpunkte senkte. Die Schweizer Bank Julius Bär erwartet allerdings, die EZB werde den notwendigen Reformkurs in Italien zwar mit Anleihekäufen begleiten, aber nicht in großem Stil.

Vielmehr werde die EZB den Druck aufrechterhalten, damit Italien die Wirtschaft reformiere. Immerhin hatte Draghi mit seinem Vorgänger Jean-Claude Trichet bereits im Sommer einen Mahnbrief an Berlusconi geschrieben, damit dieser Sparprogramme auflege. Als längerfristiger Ausweg bieten sich nur Euro-Bonds an. Also gemeinsame Anleihen aller Euro-Länder. Das würde allerdings voraussetzen, dass die Haushaltspolitik in allen Staaten synchron läuft. Deutschland lehnt daher Euro-Bonds derzeit ab. Auch sie können Italien daher gerade nicht helfen. Rom brennt lichterloh.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/aum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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